Sonntag, 5. März 2017
Dankbarkeit (Psalm 103, 1-5)
Heute habe ich mal ein Wort aus den Psalmen. Die Überschrift lautet hier:
«Das große Dankgebet» Es ist der Psalm 103 von David:


(103,1) «Auf, mein Herz, preise den HERRN! Alles in mir soll den heiligen Gott rühmen!

(103,2) Auf, mein Herz, preise den HERRN und vergiss nie, was er für mich getan hat!

(103,3) Meine ganze Schuld hat er mir vergeben, von aller Krankheit hat er mich geheilt,

(103,4) dem Grab hat er mich entrissen, hat mich mit Güte und Erbarmen überschüttet.

(103,5) Mit guten Gaben erhält er mein Leben, täglich erneuert er meine Kraft und ich bleibe jung und stark wie ein Adler.»

Wenn wir so wollen ist das Rückblick und Ausblick in einem. David schaut zurück auf die Taten Gottes in seinem Leben. Dabei wird seine Stimmung einfach zur Dankbarkeit erhoben. Dann schaut er voraus und sagt: «Mit guten Gaben erhält er mein Leben, täglich erneuert er meine Kraft.».

Wir stehen ja noch an der Schwelle eines neuen Jahres. Unbekannt liegt die Zukunft vor uns. Da ist es gut, sich an die Wohltaten des Herrn in der Vergangenheit zu erinnern und mit Lob und Dank nach vorne zu blicken. David jedenfalls ist dankbar – und er ruft sich selbst dazu auf.

Wie schön ist es doch, einem dankbaren Menschen zu begegnen. Er verbreitet Optimismus, Freude, Hoffnung, Wertschätzung. Von ihm geht eine positive Ausstrahlung aus. Die Mitmenschen fühlen sich wohl, ermutigt und erleichtert in seiner Nähe. Eine dankbare Person vermittelt die Botschaft, dass alles in Ordnung ist, dass sie über den Dingen steht, dass sie zufrieden ist, dass sie in Harmonie mit den Umständen lebt.

Eine undankbare Person dagegen verbreitet Unzufriedenheit, schlechte Laune, Überheblichkeit. Sie wirkt unangenehm, weil sie anspruchsvoll und egoistisch zu sein scheint und überhöhte Erwartungen an Gott, die Umstände und ihre Mitmenschen stellt. Wer undankbar ist, weiß seine Position meist noch recht gut zu verteidigen. Er meint, es gäbe in seinem Leben und in der Welt so viel Elend, Schmerz, Armut und Krankheit; wer kann da dankbar sein? Außerdem – so meint er - sei Dankbarkeit ein Zwang, eine Forderung, und das bedeutet eine weitere Last in unserem Leben. Man selber werde dadurch gedemütigt und abhängig gehalten, wenn man für alles «Danke» sagen müsse.

Verstehen kann ich eigentlich beide Seiten: Dankbare Menschen sind angenehme Zeitgenossen! Aber zur Dankbarkeit zwingen lassen möchte ich mich auch nicht. So ist meine Frage: Wie kann ich dankbar werden, ohne dass ich dazu gedrängt werden muss, ohne dass mir ein Druck auferlegt wird und ohne dass ich dabei heucheln muss.

Für einige Menschen ist Dankbarkeit ein Bedürfnis. Es fällt ihnen nicht schwer! Sie brauchen nicht viel zu überlegen. Sie erinnern sich schnell an viele Zuwendungen und Geschenke in ihrem Leben. Schon gar nicht ist Dankbarkeit für sie eine Pflichtübung. Es kommt ihnen einfach so aus vollem Herzen. Sie können sich über alles freuen und ihr Herz sprudelt über vor Dank. Das ist aber nicht bei allen so.

Manche Leute tun sich sehr schwer mit der Dankbarkeit. Sie denken: «Bei allem Guten und Schönen bisher habe ich auch viel Traurigkeit und Mühe erlebt. Mir ist es längst nicht immer gut gegangen. Mal wurde ich ungerecht kritisiert, verleumdet, beschimpft; mal unterdrückt, ausgenutzt und betrogen. Finanziell geht es mir schlecht und auch die Gesundheit lässt zu wünschen übrig. Ich habe keine Ansprüche gestellt, nichts erwartet und um nichts gebeten. Warum sollte ich «danke» sagen?»

Von ihnen trotzdem Dankbarkeit zu fordern, ist nicht weise. Es ändert ihre Einstellung wenig, vielmehr macht es sie mürrisch, oder rebellisch, weil man von ihnen etwas fordert, was sie nicht bringen können. Trotzdem so zu tun, als wäre man dankbar, führt nur zu Heuchelei und Betrug. Ein falscher, erzwungener, oder auch nur routinemäßiger Dank kann Gott nicht gefallen.

Amos, der Prophet, sagt es deutlich im Kapitel 5 seines Buches:

(5,21) «Der Herr sagt: »Ich hasse eure Feste und kann eure Feiern nicht ausstehen.

(5,22) Eure Brandopfer und Speiseopfer sind mir zuwider; das gemästete Vieh, das ihr für das Opfermahl schlachtet, kann ich nicht mehr sehen.

(5,23) Hört auf mit dem Geplärr eurer Lieder! Euer Harfengeklimper ist mir lästig!

(5,24) Sorgt lieber dafür, dass jeder zu seinem Recht kommt! Recht und Gerechtigkeit sollen das Land erfüllen wie ein Strom, der nie austrocknet»

Also rein äußerliche Dankzeremonien können Gott nicht gefallen. Wenn einer nicht ehrlich dankbar ist, dann soll er nicht etwas vortäuschen.

Andererseits muss Dankbarkeit nicht immer etwas Lautes, Sichtbares und Überschwängliches sein. David war wohl begeistert über Gottes Gaben und Wundertaten und er jauchzte und sang laute Lieder. Aber nicht alle Leute können ihre Gefühle so offen zur Schau tragen. Sie drücken ihre Dankbarkeit anders aus, vielleicht leise, ohne Worte und Lieder, in einem Lächeln, einer Geste, einer Tat, einem Geschenk, einem Liebesbeweis. Und wollen wir doch ehrlich sein: Wir wissen manchmal selber, dass wir jetzt dankbar sein sollten, und wir sind es doch nicht oder können es nicht ausdrücken und zeigen. Der Dank kommt nicht immer so einfach, wenn er kommen sollte.

Nun ist es ja einmal so, dass wir jemandem Dank schulden für etwas, was er für uns getan hat. Dann aber kommt es auch vor, dass uns jemand Dank schuldet, und wir von ihm Dank erwarten. Wie oft schon habe ich gedacht, dass mir meine Angehörigen, meine Freunde oder Nachbarn dankbar sein sollten für irgendeinen Gefallen, den ich ihnen getan habe. Aber da kommt nichts. Vielleicht sind sie undankbar, oder sie schätzen nicht, was ich für sie getan habe. Vielleicht wollten sie gar nicht die Aufmerksamkeit.

Für manche ist es schon schwer genug, Hilfe, ein Geschenk, einen Gefallen anzunehmen. Sie fühlen sich dadurch irgendwie abhängig oder schuldig. Oder sie sehen sich als Versager, wenn sie jemandem für etwas danken müssen. Oft genug ist es auch demütigend, wenn man sich bedanken muss. Ich habe mal gehört, dass reichen oder aristokratischen Leuten absichtlich nicht beigebracht wird, «danke» zu sagen. Mit einem «Danke» würden sie ihre Unfähigkeit zeigen, für sich selber zu sorgen. Es ist erniedrigend für sie, von einem Geringeren Hilfe anzunehmen.

Da kam mir ein dummer Vergleich, der aber vielleicht den Konflikt zeigen kann. Also wir verstehen schon, dass wir Gott Dank schuldig sind. Er hat viel für uns getan, wir können ihm nicht genug für alles danken. - Jedoch würden wir niemals erwarten, dass Gott uns für etwas danken sollte. Vielleicht tut er es ja, aber ich habe noch nie so etwas gehört. Wir sind viel zu gering, als dass wir Dank von Ihm annehmen könnten – und ER ist viel zu groß und erhaben, als dass ER jemandem Dank schulde.

Wenn jemand so freudig dankt wie David im Psalm, dann ist das gleichzeitig ein Ausdruck des Staunens. Als David sang:

(103,1) «Auf, mein Herz, preise den HERRN! Alles in mir soll den heiligen Gott rühmen!

(103,2) Auf, mein Herz, preise den HERRN und vergiss nie, was er für mich getan hat!»

schwang so etwas wie Erstaunen und Wundern mit. Es ist nicht selbstverständlich, dass Gott ihm viel Gutes erwiesen hat. David wundert sich wohl, dass der Herr der Welt ihn nicht übersehen hat – ihn, der doch so klein und unbedeutend ist. Er wundert sich wohl auch, dass der Schöpfer des Universums sich zu ihm herab neigt und ihn mit Wohltaten überschüttet. - und darüber können wir uns auch immer wieder wundern, wie Gott sich unser annimmt, wie er an uns denkt, wie er uns versorgt und Gutes an uns tut. Unser Dank ist ein Ausdruck des Erstaunens über unseren Gott!

Wenn jemand so freudig dankt, wie David in den Psalmen, dann ist das auch meist ein Ausdruck der Anerkennung und Freude. Es bedeutet: «Ich schätze das, was man an mir getan hat und freue mich darüber.» Dank ist damit auch Kommunikation und Gemeinschaft mit dem Geber oder Wohltäter. Es heißt: «Ich will mit ihm in Kontakt bleiben, seine Gegenwart und Einfluss sind mir angenehm.»

So ähnlich ist es auch, wenn ich Menschen danke: einem Bekannten, einem Nachbarn, einem Bruder oder einer Schwester in der Gemeinde. Wenn ich mich nicht bedanken würde, könnte das bedeuten: «Ich will nichts mit dir zu tun haben, ich schätze dich gering und will nicht weiter mit Dir reden.»

Wenn jemand so dankbar ist, wie David, dann drückt er damit auch aus, dass er zufrieden ist. Er hat bekommen, was er braucht. Für ihn ist gesorgt. Da sind nicht mehr viele Wünsche und Erwartungen offen. Ein dankbarer Mensch ist ein ausgeglichener, zufriedener Mensch. Oder umgekehrt: Ein zufriedener Mensch ist auch immer ein dankbarer Mensch, auch wenn er das nicht in jedem Satz betont. Wer immer noch mehr erreichen will, wer immer noch höher hinaus will, wer große und noch größere Erwartungen an sich selbst, an seine Mitmenschen, an die Umstände und an Gott hat, der kann schwerlich ein dankbarer und zufriedener Mensch genannt werden.

Dankbarkeit ist oft ein Impuls, ein plötzlich aufwallendes Gefühl der Freude z.B. wenn ich an die Vergangenheit denke, und mir viel Gutes einfällt. Sie ist die Reaktion auf eine Wohltat oder ein Geschenk. Irgendwie können wir nicht gleichgültig und unbeweglich bleiben, wenn wir merken, jemand meint es gut mit uns. - Dankbarkeit ist auch so etwas wie ein Zahlungsmittel – wenigstens in vielen Kulturen. Wir sagen ja z.B. manchmal: «Ich schulde jemandem Dank - für seine Hilfe, Geschenke oder Rettung.» Wenn das so ist, dann ist Dankbarkeit eine Pflicht, eine Verantwortung die wir haben. Und das gefällt den meisten von uns nicht so gut.

David, in seinem Psalm 103 erinnert uns nicht an die Pflicht zur Dankbarkeit. Und das finde ich gut. So wird es nicht zu einer toten Form oder einer unangenehmen, peinlichen Handlung. Dafür aber verkündigt David laut seine eigene Dankbarkeit. Er lässt andere teilhaben an seinen Gefühlen und Freuden. Für Dank braucht man eigentlich immer auch die Gemeinschaft. Es ist dem Dankenden ein Bedürfnis, sich mitzuteilen, mit anderen seine Gefühle und Erfahrungen zu teilen, und dann gemeinsam mit ihnen Gott zu danken. Was ist ein stummer Dank, von dem niemand etwas erfährt? Es ist das Zeugnis einer dankbaren Person, das auch andere dankbar stimmt.

Also verzichten wir lieber darauf, andere Menschen an ihre Pflicht zur Dankbarkeit zu erinnern. Erwarten wir nicht von ihnen, dass sie uns für alles mögliche danken sollen, was wir ihnen – unserer Meinung nach – Gutes getan haben. Wer Dankbarkeit verlangt, fordert oder einklagt, der hat das Wesen der Dankbarkeit nicht verstanden.

Nun möchte ich noch ein Wort darüber sagen, wie wichtig ein dankbares Herz ist. Dankbarkeit ist eine Grundvoraussetzung für unser geistliches Wachstum. Wer dankbar ist, lebt in Harmonie mit Gott, der Umwelt und sich selbst. Und das ist, meiner Ansicht nach, der beste Nährboden für Glauben, Vertrauen und Offenheit. So sind wir bereit, auf Gott zu hören, ihm zu gefallen, von ihm zu lernen und seinen Willen zu tun.

Ich begegne immer wieder Christen, die scheinbar meinen, sie müssten dauernd mit ihrem geistlichen Leben unzufrieden sein. Sie glauben, sie müssten immer noch mehr von Gott erwarten. Sie möchten Wunder und große Dinge tun, mehr als bisher und mehr als andere. Dadurch werden sie undankbar, unzufrieden, unruhig und verpassen oft gerade das, was Gott ihnen schon gegeben hat. Nun möchte ich auf keinen Fall sagen, dass wir nichts Großes mehr von Gott erwarten sollen, dass wir selbstzufrieden und träge sein sollen. Aber doch ist ein dankbarer und zufriedener Geist eine der besten Voraussetzungen für unser geistliches Wachstum, für mehr Erkenntnis, mehr Liebe, mehr Frucht.

Ein dankbares Herz ist eine Voraussetzung für geistliches Wachstum, aber auch für einen fruchtbaren Dienst. Ich denke da an einen Pastor, zu dem wir für einige Zeit in die Gottesdienste gingen. Die sonntägliche Begrüßung bestand meist darin, dass er die Leute ausschimpfte, die zu spät kamen. Dann ließ er seinen Unmut an der Versammlung aus über alle Gemeindeglieder, die mal wieder nicht zur Predigt erschienen waren. Er war unzufrieden mit der Situation und der Gemeinde. Er hatte vieles zu kritisieren, zu wünschen und zu erwarten. Natürlich machte das die Gottesdienstbesuche nicht angenehm und bald schon duckten sich die wenigen, die noch kamen unter seiner Strafpredigt, die eigentlich nicht ihnen, sondern denen galt, die nicht anwesend waren. Man merkte, wie dem Pastor der Dienst schwer fiel, wie er seine Verantwortung als eine Last und Mühe empfand. Wie er enttäuscht und unzufrieden mit den Erfolgen seiner Anstrengungen war. Wer seinen Dienst für den Herrn nicht aus Dankbarkeit ausführen kann, hat es schwer. Wer aber Gott dankbar ist für seine Vergebung, Erlösung, seine Begabungen und Berufung, der geht mit einer ganz anderen Haltung an seine Aufgaben. Die Menschen, mit denen er zu tun hat, und denen er dienen will, merken es, und er selbst hat es viel leichter.

Wir wollen lernen, dankbar zu sein. Vielleicht werden auch im neuen Jahr Zeiten kommen, wo es uns schwer fällt, das Gute zu sehen und dankbar zu sein. Dann brauchen wir uns nicht zu quälen und ein schlechtes Gewissen zu haben. Aber wir sollten uns auch nicht dagegen verschließen, dankbar zu sein. Es muss nicht unbedingt ein überschwänglicher Lobgesang sein, aber ein leises Zeugnis, ein Wort, ein Gebet in der Gemeinde sollte schon möglich sein. Wir wollen auch hören lernen, wo und wie andere ihre Dankbarkeit ausdrücken. Lassen wir auch darin Gott wirken.

Wir beten:
Wirklich, Herr, es gibt so vieles, wofür wir Dir dankbar sein können. Lehre uns, Dir unseren Dank so auszudrücken, wie es uns gegeben ist und wie es Dir gefällt, - dass auch andere dadurch ermutigt werden. Wir vertrauen Dir auch für das Neue Jahr, dass Du uns viel Anlass für Dankbarkeit geben wirst. Amen.

Rüdiger Klaue

Weitere Predigten von Rüdiger Klaue findest Du unter http://www.rklaue.com/

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