Donnerstag, 2. März 2017
Predigtreihe über Hiob – Teil 18: Krankheit (Hiob 9-17 in Auszügen)
Als ich heute noch einmal das Kapitel 16 aus dem Buch Hiob las, fiel mir auf, wie man doch die Leiden Hiobs mit denen unseres Heilandes Jesus Christus vergleichen kann. Hören wir noch einmal die Klage Hiobs und vergleichen sie mit den Erfahrungen Jesu am Kreuz.

Der Bibeltext:

(16,10) »Die Leute rotten sich um mich zusammen, sie reißen ihre Mäuler auf und spotten, sie schlagen mir voll Feindschaft ins Gesicht.

(16,11) Gott hat mich an Verbrecher ausgeliefert, mich schlimmen Schurken in die Hand gegeben.

(16,12) Aus meinem Frieden riss er mich heraus, er packte mich im Nacken, warf mich nieder. Dann nahm er mich als Ziel für seine Pfeile,

(16,13) die mich von allen Seiten dicht umschwirren. Erbarmungslos durchbohrt er meine Nieren, lässt meine Galle auf die Erde fließen.

(16,14) Er schlägt mir eine Wunde nach der andern, so wie ein Kriegsheer Breschen in die Mauer.

(16,15) Das Trauerkleid ist meine zweite Haut, besiegt und kraftlos liege ich im Staub.

(16,16) Ganz heiß ist mein Gesicht vom vielen Weinen, die Augen sind umringt von dunklen Schatten.

(16,17) Und doch, an meinen Händen klebt kein Unrecht und mein Gebet ist frei von Heuchelei!«

(17, 1) »Das Atmen fällt mir schwer, mein Leben endet, der Docht verglimmt, mein Grab ist schon geschaufelt.

(17,2) Rings um mich höre ich den Hohn der Spötter, auch nachts lässt ihr Gezänk mich nicht mehr schlafen.
(17,6) Doch jetzt bin ich die Spottfigur der Leute, ich werde angespuckt; Gott stellt mich bloß.

(17,7) Vor Kummer ist mein Auge fast erblindet, ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst.

(17,8) Ihr haltet euch für redlich, seid entsetzt; ihr meint, ihr hättet keine Schuld, erregt euch, in euren Augen bin ich ein Verbrecher.

(17,9) Ihr seid gerecht und lasst euch nicht beirren, seid rein und schuldlos, fühlt euch nur bestärkt. «

Natürlich war Hiob kein Verbrecher, er war auch nicht zum Tode verurteilt, wie Jesus. Niemand schlug ihm praktisch ins Gesicht, ihn umschwirrten keine Pfeile wirklich, niemand durchbohrte seine Nieren und ließ seine Galle auf die Erde fallen. Es sind eigentlich nur Bilder für das, was er fühlt und wie er seine Situation empfindet. Aber durch seine Worte und Beschreibung können wir uns die Leiden Jesu besser vorstellen.

Jesus wurde tatsächlich von der Menge verspottet, ins Gesicht geschlagen, angespuckt. Das Atmen fiel ihm schwer am Kreuz, sein Leben endete, der Docht verglimmte. Erbarmungslos wurde Jesus durchbohrt und seine Galle floss gewissermaßen auf die Erde als er von einer Lanze durchbohrt wurde, sein Grab war praktisch schon geschaufelt. Er wurde als Verbrecher verurteilt von Leuten, die sich für redlich hielten und dachten, sie seien gerechter als er.

Da sind also erstaunlich viele Parallelen zwischen Hiobs und Jesu Leiden. Natürlich sind da aber auch grundlegende Unterschiede. Jesus war Gottes Sohn - Hiob nicht. Jesus hätte sich wehren können - tat es aber nicht um unsertwillen. Hiob konnte seine Lage nicht ändern. Jesus trug die Strafe für unsere Schuld freiwillig. Hiob hielt sich für schuldlos und ungerecht behandelt. Seine Leiden konnten uns nicht viel helfen - Jesu Leiden jedoch erlöste uns vor der Verdammnis und dem ewigen Tod.

Aber mir geht es gar nicht so sehr um die Parallelen im Leiden dieser beiden Männer. Mir geht es heute darum zu beobachten, wie Hiob sein Schicksal ertrug und meisterte.

Abgesehen von seinen schweren Verlusten durch den Raub seiner Viehherden und den Tod seiner Kinder, war Hiob jetzt krank. Das plagte ihn wohl am meisten. In seiner Klage geht es darum, wie zerschlagen, verletzt, verstümmelt und entstellt er war. Er litt Schmerzen am ganzen Körper, konnte nicht essen und nicht schlafen, über den ganzen Leib hatte er eiternde, furchtbar juckende Geschwüre. Er sah hässlich und unappetitlich aus, so dass er sich vor sich selber ekelte. Er saß in der Asche und fühlte sich verspottet und unverstanden.

Über diesem augenblicklichen, vordringlichen Schmerz geriet der Verlust seiner Kinder etwas in den Hintergrund. Hiob ist krank: er hat Fieber, kann nichts essen, ist schwach, es ist ihm unbequem in seiner Haut, er hat überall Schmerzen. Mit einer Genesung rechnet er schon nicht mehr; vielmehr sehnt er sich den Tod herbei. Das sollten wir immer vor Augen haben, wenn wir den Klagen und Argumenten dieses Mannes zuhören. Er war sehr schwer geprüft.

Solche gesundheitlichen Probleme, wie Hiob sie beschreibt, betreffen ja zunächst einmal den Körper. Es sind also physische Leiden. Aber diese wirken sich auch auf verschiedene Bereiche seiner Persönlichkeit aus.

So sehen wir bei Hiob wie körperliches Leiden

1.- zu emotionalen Turbulenzen führt. Seine Gefühle sind in Mitleidenschaft gezogen. Immer wieder spricht er von seinen Tränen. Eine tiefe Traurigkeit hat ihn befallen, seitdem er seine Gesundheit eingebüßt hat. Diese Traurigkeit führt zu einem Dauerzustand, zur Depression. Jeden Morgen erwacht er mit trüben Gedanken, die sich gar nicht mehr verscheuchen lassen. Sein Lebensmut ist dahin und er wünscht sich den Tod. Er kann kaum noch schlafen und hat keinen Appetit. Dieser emotionale Zustand beeinflusst wiederum seine physische Gesundheit.

Und bald weiß man nicht mehr, ob seine Appetitlosigkeit von seiner Krankheit herrührt, oder von seinem emotionalen Zustand - ob seine Schlaflosigkeit eine Folge seiner Schmerzen und Geschwüre ist, oder eine Auswirkung seiner Depression. Sicher hängt eines vom anderen ab - und ein teuflischer Kreislauf beginnt.

Wenn sein Körper ausgeruht und kräftig wäre, hätte er wohl auch keine Depression - und wenn er keine Depression hätte, wäre er sicher auch körperlich stabiler. Eine Person in solcher Lage wie Hiob - befindet sich in einer Spirale abwärts, die man nur sehr schwer aufhalten kann.

Man weiß auch gar nicht, wo man mit einer evtl. Hilfe ansetzen sollte. Soll man zuerst seelsorgerliche Beratung, psychologische Betreuung anbieten? Oder wäre es aussichtsreicher, wenn man mit einer Schlafkur mit folgender Diät anfangen würde. Oder einer Kombination von beidem?

Ein weiteres Zeichen seiner emotionalen Turbulenzen sind seine Wutausbrüche. Er fährt Hiob seine Freunde richtig an:

(2,2) »Was seid ihr doch für kluge Leute! Mit euch stirbt ganz bestimmt die Weisheit aus!

(2,3) Doch ich bin auch nicht auf den Kopf gefallen, ich hab genauso viel Verstand wie ihr! Was ihr gesagt habt, könnte jeder sagen! «


In Kapitel 13 schreit er seine Freunde förmlich an: »Ihr selbst seid ratlos, deckt es zu mit Lügen; Kurpfuscher seid ihr, die nicht heilen können! Es wäre besser, wenn ihr schweigen würdet, dann könnte man euch noch für weise halten! « (Hiob 13, 4-5). Aus diesen Worten spricht Wut, Verzweiflung und Frust. Wenn Hiob nicht solche Schmerzen gehabt hätte, wenn es ihn nicht überall so furchtbar gejuckt hätte, wären seine Reden bestimmt weniger aggressiv ausgefallen.

Hiobs Krankheit machte ihn aggressiv. Seine eigenen Freunde bekamen die Wutausbrüche zu spüren. Sie mussten sich beschimpfen und verhöhnen lassen. Wenn sie besser nachgedacht hätten, wären sie mit ihren Reaktionen vorsichtiger und verständnisvoller gewesen. Aber so haben sie ihm mit gleicher Münze zurück gezahlt.

Von Wut und Aggressivität wechseln Hiobs Emotionen plötzlich wieder zu Selbstmitleid und Minderwertigkeitsgefühlen. In Hiob 13, 25 sagt er: »Was bin ich denn? Ein abgefallenes Blatt, ein dürrer Strohhalm, fortgeweht vom Wind! «

Wer so krank ist wie Hiob, der fühlt sich unnütz, unwert, überflüssig und entbehrlich - wie ein abgefallenes Blatt, wie ein dürrer Strohhalm. Hiob jammert:

(7,5) » Mein Körper fault und ist bedeckt mit Krusten, die Haut bricht auf und eitert überall.

(7,6) Ganz ohne Hoffnung schwinden meine Tage, sie eilen schneller als ein Weberschiffchen.

(7,7) Gott, denk an mich: Mein Leben ist ein Hauch; mein Glück vergeht, ich sehe es nie mehr wieder!

(7,8) Noch siehst du mich, doch bald ist es zu spät.«

Was kann ein Kranker von seinem Leben erwarten? Was kann er der Gesellschaft schon bieten, was kann er noch für Gott tun? Er ist nur noch ein Hindernis, ein Problem für seine Umwelt.

Zu den emotionalen Turbulenzen eines Kranken gehören wohl auch Angst vor der Zukunft, vor weiteren Leiden, vor Hilflosigkeit - und die Scham wegen seiner Schwachheit und seines äußeren Aussehens. Hiob war durch seine Krankheit hässlich, entstellt und unappetitlich geworden.

Seine durcheinander geratenen Gefühle führten zu gesellschaftlichen Konflikten. Durch seinen Frust und seinen Ärger, durch seine Aggressivität, griff er seine Freunde an und beleidigte sie; durch sein Selbstmitleid und Depression war er eine zusätzliche Last für seine Frau und für seine Freunde geworden.

Auf der einen Seite war er zänkisch und rechthaberisch auf der anderen Seite wehleidig, depressiv und mutlos. Das Zusammenleben mit ihm war schwer geworden. Schon wegen seiner Krankheit, aber noch mehr, wegen seiner Gefühlsschwankungen und -ausbrüche.

2.- Das körperliche Leiden führte zur geistlichen Krise. Am Anfang seiner Krankheit war Hiob noch sehr ergeben und vertrauensvoll. Als er von dem Verlust seines Besitzes und dem Tod seiner Kinder erfuhr sagte er:

(1, 21) »Der Herr hat gegeben und der Herr hat genommen. Ich will ihn preisen, was immer er tut!« und weiter heißt es von ihm:
(1,22) »Trotz allem, was geschehen war, versündigte sich Ijob nicht. Er machte Gott keinen Vorwurf. «

Doch diese Einstellung änderte sich im Verlauf der Wochen und Monate. Hiob geriet ins Hadern mit Gott, er stellte Gottes Liebe und Gerechtigkeit infrage, er griff ihn schließlich an, kritisierte und verklagte ihn.

In Kapitel 7 fährt Hiob Gott an:

(7,12) »Weshalb, Gott, lässt du mich so streng bewachen? Bin ich das Meer? Bin ich ein Ungeheuer?

(7,13) Wenn ich auf meinem Lager Ruhe suche, der Schlaf mir meine Schmerzen lindern soll,

(7,14) dann quälst du mich mit schauerlichen Träumen und ängstigst mich mit schlimmen Schreckensbildern.

(7,15) Mir wäre es lieber, wenn du mich erwürgtest; der Tod ist besser als ein solches Leben!

(7,16) Ich bin es satt, ich mag nicht weiter kämpfen. Mein ganzes Leben ist doch ohne Sinn. «

In Kapitel 9 sehen wir deutlich wie sich das Gottesbild des Hiob verändert hat:

(9,11) »Gott geht an mir vorbei – ich sehe ihn nicht, ich merke nicht, wie er vorübergeht.

(9,12) Er rafft hinweg und niemand hindert ihn. Wer wagt zu fragen: ›He, was machst du da?‹

(9,13) Gott muss nicht seinen Zorn in Schranken halten.

(9,15) Ich bin im Recht und darf mein Recht nicht fordern! Soll ich ihn etwa noch um Gnade bitten, ihn, der das Urteil schon beschlossen hat? «

Hiob hat Probleme mit Gott, er kann ihn nicht verstehen und es fällt ihm schwer, sich ihm zu unterordnen.

Wenn wir uns so die Reden des Hiob lesen, könnten wir manchmal den Respekt vor ihm verlieren. Wir hören ihn, wie er klagt und jammert - wie er immer wieder von seiner Krankheit redet, wie er Mitleid und Verständnis sucht. Er klingt nicht wie ein tapferer Held der über die Schmerzen und Schwachheit seines Leibes erhaben ist.

Wir sehen seinen Zorn und seine Aggressivität. Er beschimpft und beleidigt seine Freunde. Sein Zorn richtet sich auch gegen Gott, sein Schweigen und sein Handeln. Er kritisiert Gottes Vorgehen, klagt ihn an, macht ihm Vorschriften.

Dann lesen wir auch, wie Hiob sich immer wieder rechtfertig. Er beteuert seine Unschuld, betont seine Frömmigkeit und seine guten Werke. Alle Hinweise auf Sünden und Fehler in seinem Leben weist er ab. Er ist nicht bereit, auf andere zu hören, Buße zu tun oder etwas zu verändern.

Er hat Selbstmitleid, ist resigniert, sieht keinen Sinn im Leben, verflucht den Tag seine Geburt und möchte am liebsten Sterben.

Alles dies sind Anzeichen einer tiefen Depression und die indirekte Folge seiner Krankheit und Schmerzen. Natürlich tut er uns leid, wie er da so in der Asche sitzt und seine Geschwüre mit einer Scherbe kratzt. Vom menschlichen Standpunkt aus können wir seine Gefühlsregungen und sein Reden total verstehen und entschuldigen.

Vielleicht haben wir ähnliche Reaktionen und Verhaltensweise in unserem eigenen Leben beobachtet, wenn wir krank waren, Kopf- oder Zahnschmerzen hatten und uns gar nicht wohl fühlten. Oder wir haben diese Gefühlsturbulenzen bei einem kranken Familienangehörigen oder einem Bekannten miterlebt. Der Umgang mit einem Leidenden oder Behinderten kann manchmal sehr anstrengend und ermüdend sein - nicht so sehr wegen der körperlichen Pflege die er braucht, als vielmehr wegen der Gefühlsausbrüche, des Ärgers, des Misstrauens, der Unzufriedenheit, der Trauer und Depression.

So sehr wir auch diese Äußerungen entschuldigen können, müssen wir doch auch sehen, dass sie nicht richtig sind. Sie sind nicht richtig bei anderen und sie sind nicht richtig bei uns. Kranke Leute haben eben auch ihre Sünden und Fehler; sie haben mit einer besonderen Art von Versuchung, bösen Gedanken und Rebellion zu kämpfen. Deshalb brauchen sie Liebe und Verständnis, Vergebung und Versöhnung. Aber sie dürfen sich auch nicht einfach hängen lassen. Sie brauchen Korrektur, Disziplin und Buße. Gerade auch für Kranke und Leidende ist es so wichtig zu wissen, dass Jesus unsere Krankheit und Schmerzen auf sich genommen hat und für alle Sünden, die ungewollten, die unbeabsichtigten, ja die unvermeidlichen mit seinem Blut bezahlt hat.

Wir beten:
Herr, wenn uns Krankheit und Leiden trifft, dann sei uns besonders nah und bewahre uns vor Egoismus, Auflehnung, Unzufriedenheit und Depression. Hilf uns dann Dir zu vertrauen, dass Du uns liebst, unsere Leiden siehst und am Ende alles gut machen wirst. Amen.

Rüdiger Klaue

Weitere Predigten von Rüdiger Klaue findest Du unter http://www.rklaue.com/

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