Donnerstag, 2. März 2017
Predigtreihe über Hiob – Teil 26: Gott hat das letzte Wort (Hiob 38-42 in Auszügen)
Zum Schluss des Buches Hiob spricht Gott. Aber er gibt keine Erklärungen für das Leiden Hiobs. Das ist es doch, was Hiob wollte, was er erwartet hatte. Und auch wir Leser heute hätten jetzt gerne eine Darlegung Gottes über die Gründe und Absichten mit Hiobs Leiden und dem Leiden allgemein.

Aber Gott legt hier keine Rechenschaft ab, er gibt weder logische oder philosophische noch theologische Argumente für sein Handeln an Hiob. Er sagt auch nichts zu den langen Reden und Diskussionen der Freunde. Er sagt nicht, wer recht hat und warum.

Er kritisiert auch nicht ihre Theologie, an der doch offensichtlich manches nicht in Ordnung war. Er beanstandet nicht ihren moralischen Wandel oder ihre Lieblosigkeit. Gott gibt hier keine Warnungen, keine Verheißungen, er spricht kein Urteil aus. Es ist, als habe er gar nicht hin gehört.

Gott reagiert mit einem Thema, das scheinbar nichts mit der Problematik und den Diskussionen der Menschen um das Leid in der Welt zu tun hat.

Vor allem stellt Gott jetzt einmal dem Hiob ein paar Fragen. Er fragt:

(38, 4) »Wo warst du denn, als ich die Erde machte?

(38,5) Wer hat bestimmt, wie groß sie werden sollte? Wer hat das mit der Messschnur festgelegt?

(38,6) Auf welchem Sockel stehen ihre Pfeiler?

(38,19) Kennst du den Weg zum Ursprung des Lichtes? Von welcher Stelle kommt die Dunkelheit?

(38,22) Hast du die Vorratskammern schon gesehen, wo ich den Schnee und Hagel aufbewahre?

(38,23) Ich halte sie bereit für Unheilstage; mit ihnen greif ich ein in Kampf und Krieg.

(38,24) Wo ist der Weg zum Ort, an dem die Sonne aufgeht und wo der Platz, von dem der Ostwind kommt?

(38,25) Wer bahnte dem Gewitter seinen Weg?

(38,27) Wer stillt den Durst der ausgedörrten Erde, damit sie grünes Gras aufsprießen lässt?

(38,28) Denk an den Regen: Hat er einen Vater? Und sieh den Tau: Hat jemand ihn gezeugt?

(38,29) Wo kommt das Eis her? Wer ist seine Mutter? Und welcher Schoß gebar den Reif und Frost,

(38,31) Kannst du das Siebengestirn zusammenbinden? Löst du den Gürtel des Orions auf?

(38,32) Lenkst du den Großen und den Kleinen Wagen? 33 Kennst du die Ordnung, der der Himmel folgt?

(38,34) Rufst du den Wolken dort Befehle zu, damit sie Regen auf dich strömen lassen?

(38,35) Schickst du die Blitze auf die Erde nieder? 37 Wer zählt die rechte Zahl von Wolken ab?

(38,39) Treibst du der Löwin ihre Beute zu? Stillst du die heiße Gier der jungen Löwen,

(38,40) wenn sie sich in den Höhlen niederkauern, in dichten Büschen auf der Lauer liegen?

(38,41) Wer ist es, der den Raben Futter gibt, wenn ihre Jungen nichts zu fressen finden und mir laut schreiend ihren Hunger klagen? «

Das ist phantastische Poesie! Wunderbar formuliert, bildhaft und fast humorvoll. Aber auch ein wenig sarkastisch. Aber diese Fragen Gottes sind nicht die Fragen eines wissbegierigen Schülers an seinen Lehrer. Gott braucht die Antworten nicht, er hat sie alle selbst.

Es sind eher Examensfragen, wo das Wissen des Schülers getestet wird. Hiob soll zeigen, was er alles weiß. Außerdem sind es Rätsel und Geheimnisse, von denen der Lehrer genau weiß, dass der Schüler sie nicht lösen kann. Es sind also rhetorische Fragen.

Gott sucht keine Antworten von Hiob, sondern er möchte ihn damit etwas lehren, auf etwas aufmerksam machen. Hiob muss ehrlicherweise zu allem sagen: »Ich weiß es nicht, ich kann es nicht«. Das ist demütigend für ihn.

Er glaubte, Gott Fragen stellen zu können und auf einige Fehler aufmerksam machen zu müssen. So als ob Gott ihm eine Antwort schuldig wäre. Nun zeigt Gott ihm, dass das, was er weiß, nur ein ganz kleiner Teil ist von dem, was er nicht weiß.

Die Fragen, die Gott hier stellt, sind zugleich auch Antworten. Die Antwort ist immer gleich und lautet: »Gott kann es, Gott weiß es. « So wird durch die Fragen die Weisheit Gottes offenbar; seine Allwissenheit, seine Allmacht und seine Allgegenwart. Es wird deutlich: Gott ist der Architekt, der Schöpfer, Herr, Erhalter und Überwacher der Welt.

Mit den Fragen wird uns die Welt in Bildern vorgestellt, die sehr originell und anschaulich sind. Gott fragt Hiob z.B.

(38,19) »Kennst du den Weg zum Ursprungsort des Lichtes? Von welcher Stelle kommt die Dunkelheit?

(38,22) Hast du die Vorratskammern schon gesehen, wo ich den Schnee und Hagel aufbewahre? «

Wir wissen doch, dass es keinen Weg gibt zu dem Ort wo das Licht wohnt. Auch gibt es keinen Raum, kein Haus, wo die Dunkelheit herkommt. Licht und Finsternis sind keine Gegenstände, es sind nicht materielle Dinge, die man einsperren könnte, die irgendwo aufbewahrt werden müssen. Und doch ist der Gedanke sehr plausibel, dass es Gebiete, Räume, Speicher gibt, in denen Licht und Dunkel untergebracht sind, in denen Schnee und Hagel aufbewahrt werden, wo der Ostwind herkommt und das Gewitter.

Auch das Bild der Familie wird gebraucht, um Naturerscheinungen zu erklären.

(38,28) »Denk an den Regen: Hat er einen Vater? Und sieh den Tau: Hat jemand ihn gezeugt?

(38,29) Wo kommt das Eis her? Wer ist seine Mutter? Und welcher Schoß gebar den Reif und Frost.«

Natürlich hat der Regen keinen Vater und das Eis keine Mutter. Aber irgendwo haben sie ihren Ursprung, den Tag als sie zu existieren begannen. Sie wurden von Gott geschaffen. Er ist ihr Vater und ihre Mutter. Er ist der Schöpfer und Ursprung aller Naturereignisse. So wird auf bildhafte Weise die Entstehung der Erde erklärt.

Nun wendet sich Gott dem Firmament zu. Er fragt Hiob:

(38,31) »Kannst du das Siebengestirn zusammenbinden? Löst du den Gürtel des Orions auf? Lenkst du den Großen und den Kleinen Wagen?

(38,33) Kennst du die Ordnung, der der Himmel folgt, und machst sie gültig für die ganze Erde?«

Wir wissen heute natürlich, dass das Weltall ein unermesslich weiter Raum ist. Die Sterne, die wir sehen sind Sonnen und Planeten. Die Formen, die wir in der Zusammenstellung der Sterne zu sehen glauben, die sogenannten Sternbilder, sind eine Erfindung von Menschen.

Aber Gott gebraucht die Sprache und die Vorstellungen der Menschen, um zu zeigen, wie ohnmächtig wir sind. Wir können die Himmelskörper nicht erreichen, nicht verändern, organisieren und schon gar nicht herstellen. Aber Gott ist der Herr auch über den Weltraum.

In Kapitel 39 wendet sich Gott den Tieren zu. Er fragt:

(39,1) »Kannst du mir sagen, wann die Gämse wirft? Sahst du der Hirschkuh beim Gebären zu?

(39,2) Weißt du, wie viele Monate sie tragen? Wann kommt für sie die Stunde der Geburt?

(39,3) Sie kauern nieder, werfen ihre Jungen und schnell sind sie den Schmerz der Wehen los.

(39,4) Die Jungen wachsen, werden groß und stark, sie laufen fort und kehren nicht zurück.«

Die Reproduktion von Tieren und Pflanzen ist wirklich auch ein komplizierter und geheimnisvoller Vorgang. Es läuft alles planmäßig ab.

Jede Tierart hat eine bestimmte Zeit bis zur Geburt der Jungen. Die Dauer des Tragens ist nach Größe, Umwelt, Lebensbedingungen und Jahreszeit berechnet. Und diese Information ist in den Tieren eingebaut. Sie ist schon in ihren Genen und niemand muss sie lehren oder erinnern, wann ihre Zeit zum Gebären ist.

In den Versen 9 - 12 spricht Gott davon, dass der Mensch eben doch nicht Herr über alle Tiere ist und sie sich untertan machen kann.

Gott formuliert seine Fragen fast mit Humor und einem Augenzwinkern:

(39,9) »Meinst du vielleicht, der Wildstier wird dir dienen? Verbringt er wohl die Nacht in deinem Stall?

(39,10) Und lässt er sich von dir am Leitseil führen, damit er Furchen pflügt auf deinem Feld?

(39,11) Darfst du ihm trauen, seine Kräfte nutzen, dass er den Wagen mit den Garben zieht?

(39,12) Kannst du erwarten, dass er deine Ernte dir schön gehorsam auf die Tenne bringt?«

Hiob muss zugeben, dass er nicht einmal einen Ochsen dazu bringen kann, seinen Willen auszuführen.

Man merkt Gott bei seinen Fragen an, wie stolz er auch auf seine Schöpfung ist. Im Kapitel 40 erwähnt er den Behemot, von dem wir nicht genau wissen, was für ein Tier das war, das aber oft mit ‘Nilpferd’ wiedergegeben wird:


(40,15) »Sieh dir als Beispiel doch das Nilpferd an, das mein Geschöpf ist gradeso wie du! Es frisst zwar Gras, nicht anders als ein Rind,

(40,16) doch achte auf die Kraft in seinen Lenden und sieh die starken Muskeln seines Bauches!

(40,17) Sein Schwanz ist kräftig wie der Stamm der Zeder, die Sehnen seiner Schenkel stark wie Seile.

(40,18) Die Knochen gleichen festen Bronzeröhren, die Rippen sind so hart wie Eisenstangen.

(40,19) Es ist ein Meisterwerk in meiner Schöpfung, und niemand als sein Schöpfer kann's bezwingen.«

Auch die Beschreibung des Krokodils ab dem Vers 25 ist ein wenig sarkastisch und soll Hiob zeigen, wie stark, weise und intelligent Gott ist.

Gott fragt:
(40,25) »Fängst du das Krokodil mit einer Angel, dass ihm die Schnur die Zunge niederdrückt?

(49,26) Ziehst du ein Binsenseil durch seine Nase und schlägst ihm einen Haken durch den Kiefer?

(40,27) Wird es dich vielmals um Erbarmen bitten und dir mit vielen Zärtlichkeiten schmeicheln?

(40,28) Schließt du mit ihm gar einen Dienstvertrag, dass es als Knecht für immer bei dir bleibt?«

Noch im ganzen Kapitel 41 verweilt Gott bei dem Leviatan, der in der Übersetzung als Krokodil bezeichnet wird. Er schildert dieses Tier mit seinen Körperformen und Gliedern mit seinem Kopf und Schwanz und Rücken und Bauch.

Er erwähnt nicht nur, was er sieht, sondern Gott vergleicht sehr poetisch und anschaulich jedes Glied mit irgendeinem anderen Element oder Gegenstand aus der Natur. Dazu zeigt er, wie menschliche Waffen und Werkzeuge so machtlos sind gegen dieses Wesen.

Zum Schluss von Kapitel 41 sagt Gott:

(41:25)»Auf Erden kannst du nichts mit ihm vergleichen; so furchtlos ist kein anderes Geschöpf.

(41:26) Selbst auf die Größten blickt es stolz herab, es ist der König aller wilden Tiere. «

Im Buch Hiob wird die Frage nach dem Leid angesprochen. Der plötzlich so in Armut und Krankheit versetze Hiob möchte wissen, warum das alles geschieht. Gott gibt ihm keine direkte Antwort darauf. Vielleicht, weil ein Mensch die Antwort nicht verstehen würde, vielleicht, weil sie zu kompliziert wäre, oder weil Hiob sie doch nicht annehmen würde. Stattdessen offenbart sich Gott als der Schöpfer der Welt, als der Allmächtige, Allwissende, Allgegenwärtige, der alle Antworten hat.

Nun endlich erkennt Hiob, dass er ein Sünder ist. Er sagt zu Gott:


(42, 2)»Ich weiß jetzt, dass dir nichts unmöglich ist; denn alles, was du planst, führst du auch aus. In meinem Unverstand hab ich geredet von Dingen, die mein Denken übersteigen.

(42,5) Ich kannte dich ja nur vom Hörensagen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.

(42,6) Ich schäme mich für alles, was ich sagte; in Staub und Asche nehme ich es zurück.«

Hiob hatte Gott kritisiert, herausgefordert und ihm provokative Fragen gestellt. Gott hat lange geschwiegen. Doch als Gott anfängt zu reden, muss Hiob sich demütigen und Buße tun. Sein Sinn hat sich nun vollständig verändert. Und das nicht durch eine Bußpredigt, nicht durch Anschuldigung, durch das Vorhalten des Gesetzes oder das Aufzeigen seiner Sünden, wie die Freunde es versucht hatten. Hiob erkennt seine Schuld, indem er Gott erkennt.

So wie ihm ist es schon manch einem Sünder ergangen: die Buße kam mit der Erkenntnis Gottes. Ich denke da gerade an den großen Propheten Jesaja. Er schreibt: »Es war in dem Jahr, als König Usija starb. Da sah ich den Herrn; er saß auf einem sehr hohen Thron« (Jesaja 6,1), und dann beschreibt er die Heiligkeit und Herrlichkeit Gottes, die er gesehen hat: »Vor Angst schrie ich auf: »Ich bin verloren! Ich bin unwürdig, den Herrn zu preisen, und lebe unter einem Volk, das genauso unwürdig ist! « (Jesaja 6,5). Seine Sündenerkenntnis kam, als er die Herrlichkeit Gottes sah. Ähnlich ging es anderen Propheten, wie z.B. Mose, Gideon und Hesekiel oder im Neuen Testament Paulus.

Der Schluss des Buches birgt noch einmal eine Überraschung. Gott verurteilt die Freunde Hiobs. Es heißt da:

(42,7)»Nachdem der Herr das alles zu Ijob gesagt hatte, wandte er sich an Elifas von Teman und sagte: »Ich bin zornig auf dich und deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht die Wahrheit über mich gesagt wie mein Diener Ijob.

(42,8) Darum holt euch jetzt sieben junge Stiere und sieben Widder, geht damit zu Ijob und opfert sie mir als Brandopfer für eure Schuld. Mein Diener Ijob soll für euch beten; denn auf ihn werde ich hören und euch nicht für euren Unverstand bestrafen.«

Für mich war es Hiob, der Gott kritisiert, hinterfragt und angeklagt hatte. Er hätte von Gott eine Zurechtweisung verdient, so denke ich. Die Freunde hatten in ihren Reden doch Gott verteidigt, hatten sich vor ihn gestellt und Hiob sogar mit harten Worten für seine Unverschämtheit gerichtet.

Doch Gott sieht das anders; er sieht das Herz an und hat bei den Freunden wohl auch Stolz, Rechthaberei und Selbstgerechtigkeit entdeckt. Nun soll Hiob für sie beten. Was mag er gebetet haben? Wahrscheinlich ein priesterliches Gebet um Gnade, Vergebung und Frieden für seine Freunde.

Ob es ihm leicht gefallen ist, für die zu beten, die ihn so missverstanden und beschimpft hatten? Es war noch eine Prüfung, in der er seine neue Bereitschaft zum Gehorsam unter Beweis stellen konnte.

Aber auch die Freunde wurden auf eine harte Probe gestellt. Sie sollten sich demütigen, Opfer bringen und Hiob für sich beten lassen. Sie nahmen das Urteil Gottes an. Es heißt:

(42,9) »Elifas aus Teman, Bildad aus Schuach und Zofar aus Naama taten, was der Herr ihnen gesagt hatte, und der Herr nahm Ijobs Gebet für sie an. «

So endet diese leidvolle, tragische Geschichte doch noch mit einem Happy End. Alle tun Buße und versöhnen sich. Hiob bekommt noch einmal Kinder und gewinnt all seinen Reichtum doppelt zurück. Er lebt noch 140 Jahre und stirbt nach einem langen erfüllten Leben.

Wir beten:
Herr, wir danken Dir für diese Geschichte und alle Lehren, die wir auch heute noch daraus ziehen können. Wir danken Dir, dass Du auch uns in diesem Buch begegnet bist. Amen.

Rüdiger Klaue

Weitere Predigten von Rüdiger Klaue findest Du unter http://www.rklaue.com/

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