Dienstag, 28. Februar 2017
Predigtreihe über Hiob – Teil 1: Reichtum (Hiob 1, 1-5)
In der nächsten Zeit möchte ich mich mit dem Buch Hiob im Alten Testament befassen. Anlass dazu ist die Erkrankung unserer Tochter an Krebs. (2013) In Momenten der Trauer, der Schmerzen und Krankheit, des Verlustes und der Suche nach Antworten greift man gerne zu so einem Buch wie Hiob. Hier fühlt man sich verstanden in seinem Leid, seiner Verzweiflung und Konflikten. Hier findet man all die Fragen, die ein geplagter und angefochtener Mensch durchlebt - und hier findet man auch den Versuch, das Leid in der Welt und Gottes oft unbegreifliches Handeln zu erklären.

Die ersten zwei Kapitel des Buches sind ein Bericht über Hiob, über seine Familie, seinen Reichtum und sein schweres Schicksal. Danach folgen viele Kapitel mit Diskussionen und den Bemühungen der drei weisen Freunde des Hiob, die Geschehnisse zu erklären und einzuordnen.

Beginnen wir heute mit den ersten fünf Versen des Buches Hiob oder Ijobs oder Job wie es auch heißt.

Der Bibeltext:

(1,1) Im Land Uz lebte einmal ein Mann namens Ijob. Er war ein Vorbild an Rechtschaffenheit, nahm Gott ernst und hielt sich von allem Bösen fern.

(1,2) Seine Frau hatte ihm sieben Söhne und drei Töchter geboren und er besaß sehr viel Vieh: 7000 Schafe und Ziegen, 3000 Kamele, 1000 Rinder und 500 Esel.

(1,3) Dazu hatte er auch viele Knechte und Mägde. An Wohlstand und Ansehen übertraf Ijob alle Männer des Steppenlandes im Osten.

(1,4) Seine Söhne hatten die Gewohnheit, reihum in ihren Häusern Festessen zu veranstalten, an denen alle Brüder teilnahmen. Auch ihre drei Schwestern luden sie dazu ein und alle aßen und tranken miteinander.

(1,5) Immer wenn eine solche Reihe von Festmählern vorüber war, stand Ijob frühmorgens auf und ließ seine Kinder holen. Für jedes von ihnen brachte er ein Brandopfer dar, um sie von Sünde zu reinigen. Denn er sagte sich: »Vielleicht hat eines von ihnen in Gedanken Gott beleidigt und ist dadurch schuldig geworden.«

Das sind die Verse 1 - 5 aus dem ersten Kapitel des Buches Hiob nach der Guten Nachricht Bibel.

Hiob wird uns hier als ein sehr frommer Mann vorgestellt. Es heißt von ihm: »Er war ein Vorbild an Rechtschaffenheit, nahm Gott ernst und hielt sich von allem Bösen fern.« Das sollten wir ihm mal glauben; denn später im Buch wird diese Tatsache immer wieder angezweifelt.

Hiob wird uns auch als ein guter, verantwortlicher und gottesfürchtiger Vater gezeigt. Wir lesen über das Verhältnis zu seinen Kindern: »Immer wenn eine solche Reihe von Festmählern (bei den Geschwistern) vorüber war, stand Ijob frühmorgens auf und ließ seine Kinder holen. Für jedes von ihnen brachte er ein Brandopfer dar, um sie von Sünde zu reinigen. Denn er sagte sich: »Vielleicht hat eines von ihnen in Gedanken Gott beleidigt und ist dadurch schuldig geworden.« Anstatt seine Kinder zu kontrollieren, zu ermahnen oder zu kritisieren, rief er sie zusammen und feierte einen Gottesdienst mit ihnen. Ich vermute, dass diese geistliche Handlung bei den Kindern einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Hiobs Ernst und Besorgnis bewahrte sie wohl auch davor, bei der nächsten Feier frivol, unmoralisch oder ausschweifend zu werden. Ich würde so ein Verhalten nicht von allen Eltern fordern, aber ich finde es beispielhaft, wenn sich ein Vater auf diese Weise unter die Sünde und Fehler seiner Kinder stellt.

Hiob nahm Gott ernst und hielt sich von allem Bösen fern. Dieses Bemühen um ein ungetrübtes Verhältnis zu Gott ist umso bemerkenswerter, da dieser Mann in einer sehr dunklen Epoche lebte. Allem Anschein nach wusste Hiob noch von keinem Tempel, er kannte keine 10 Gebote, kein Priestertum und keinen geregelten Gottesdienst. Er hatte keine heiligen Schriften und keine Worte der Propheten. Es gab noch kein auserwähltes Volk, keinen Auszug aus Ägypten und kein verheißenes Land.

Woher sollte er also etwas über Gott, seinen Willen und sein Handeln wissen? Er tastete sich langsam vor. Dabei handelte er nach seiner Erkenntnis. Er suchte und forschte in der Natur, im Gebet und Opfer nach Gott, seinem Willen und Plan für uns Menschen, und er suchte nach Vergebung und Versöhnung. Hiob war auch bereit, mit seinen Freunden über Gott nachzudenken, seine eigenen Vorstellungen zu prüfen, auf andere Meinungen und Erfahrungen zu hören. So hatte er schon in ganz früher Zeit eine erstaunliche Gotteserkenntnis gewonnen. In geistlichen Dingen war er sogar manchen seiner Nachkommen, die z.B. zur Zeit der Richter oder der Könige lebten, weit überlegen.

Hiob war nicht nur ein frommer und gottesfürchtiger Mann, wie wir sehen, sondern auch ein sehr reicher. Es heißt von ihm: »An Wohlstand und Ansehen übertraf Ijob alle Männer des Steppenlandes im Osten.« Hiobs Heimat muss irgendwo in Mesopotamien gelegen haben, in der Nähe der persischen Wüste, weitab im Osten von Israel. Der Reichtum dieses Scheichs bestand nicht so sehr in Geld, als vielmehr in Vieh.

Wahrscheinlich war er ein Nomade und als solcher war er die meiste Zeit des Jahres mit seinen riesigen Herden unterwegs. Seine 3000 Kamele wird er an Karawanenführer verkauft haben, die Güter durch die Wüste transportieren mussten. Die 500 Esel waren wohl für Feldarbeit bestimmt, ähnlich wie die 500 Paar Ochsen. Die 7000 Schafe und Ziegen lieferten sicherlich Fleisch, Milch und Wolle auf den orientalischen Märkten in »Städten« der damaligen Zeit. Um all diese Tierherden zu bewachen, zu versorgen und wirtschaftlich zu nutzen, musste Hiob auch ein ganzes Heer von Cowboys, Hirten, Tierärzten und Geschäftsleuten unterhalten haben. Ja, dieser Mann war ein Unternehmer, Großgrundbesitzer, cleverer Geschäftsmann, angesehen und sehr reich.

Durch die Aufzählung seiner Besitztümer sehen wir, dass man gleichzeitig reich und gottesfürchtig sein kann. Es gibt ja immer wieder Leute, die können es kaum glauben, dass reiche Menschen auch anständig, ehrlich, wohltätig und fromm sein können. Sie meinen, alle Reichen seien Gauner, Ausbeuter, Unterdrücker, Betrüger und Verbrecher. Gewisse Leute können es sich nicht vorstellen, dass man Ansehen, Reichtum und Einfluss auf ehrliche, tugendhafte Weise erwerben und verwalten kann. In einer korrupten Welt scheint es auch unmöglich zu sein, durch Fleiß, Sparsamkeit, Klugheit und Vertrauenswürdigkeit reich zu werden. - Und doch ist es möglich! Auch heute noch. –

Natürlich gibt es auch die anderen Reichen, die durch krumme Geschäfte, durch Betrügereien, durch Skrupellosigkeit und Härte zu ihrem Besitzt gekommen sind. Darum ist es verkehrt zu generalisieren und alle Reichen in dieselbe Schublade zu stecken.

Es gibt wohl verschiedene Möglichkeiten reich zu werden und ich kann nur vermuten, wie Hiob zu seinem großen Vermögen gelangt ist.

(1) Man kann reich werden durch Glück, Zufall oder Fügung, wenn man so will. Das war bei Hiob aber wohl nicht der Fall. Glück ist z.B. wenn jemand Erdöl auf seinem Grundstück findet oder eine unerwartete Erbschaft macht. Eigentlich hat die Person so gut wie nichts dazu beigetragen, Reichtum ist ihr zugefallen. Es gibt ja auch heute noch genug Gelegenheiten mit verhältnismäßig wenig Aufwand zu riesigen Summen Geldes zu kommen.

(2) Dann kann man auch durch Fleiß und Sparsamkeit reich werden. Ich kenne eine ganze Reihe reicher Leute, die einfach und in bescheidenen Verhältnissen leben und schwielige Hände und einen krummen Rücken haben. Man kann ihnen vielleicht vorwerfen, dass sie ihre Gesundheit und ihre Freiheit dem Jagen nach Geld geopfert haben. Aber immerhin ist es möglich, auf ehrliche Art zu Wohlstand zu kommen.

(3) durch weise Entscheidungen, und kluges Management. Dabei fallen mir Bill Gates, der Gründer von Microsoft und Steve Jobs der Gründer von Apple ein. Es sind - oder waren - wohl mit die reichsten Männer unserer Zeit. Und doch haben sie einmal ganz klein in einer Garage oder Werkstatt angefangen. Sie hatten außerordentliches Wissen und eine Vision und waren bereit, Gelegenheiten und Trends zu nutzen, um ihre Unternehmen immer weiter auszubauen. Hiob hätte weniger Sorgen und Plage gehabt, wenn er einen kleinen Garten und zwei Milchkühe für den eigenen Bedarf gehabt hätte. Doch die Fähigkeit, großen Besitz zu managen trieb ihn voran.

(4) Wenn ich mich mit einem Großgrundbesitzer und Viehzüchter in Paraguay unterhalte und ihn frage, wie er zu seinem Wohlstand gekommen ist, wird meist eines deutlich: Risikobereitschaft. Ein Kleinbauer muss viel wagen, bis er sein Vermögen signifikant vergrößern kann. Er muss Darlehen aufnehmen, Land kaufen, das Land einzäunen und urbar machen. Dann muss er sich Vieh anschaffen und es pflegen und versorgen. Das sind bis dahin - nur Ausgaben und Kosten. Es kann so leicht etwas Unvorhergesehenes passieren. Eine Seuche kann ausbrechen, die Preise fallen, es gibt eine Dürreperiode oder eine Überschwemmung - und seine Pläne und Hoffnungen werden durchkreuzt. Bis aus einer neuen Estancia oder Viehfarm Gewinn zu holen ist, sind meist 10 bis 15 Jahre vergangen. Auch Hiob muss bereit gewesen sein, etwas zu wagen, Risiken einzugehen und Katastrophen und Verluste einzukalkulieren.

(5) Natürlich - und leider - können Menschen auch auf unrechte Art und Weise reich werden. Es kann sein, dass sie ihren Arbeitern und Angestellten viel zu niedrige Löhne zahlen, die Arbeitsbedingungen unmenschlich sind, auf Sicherheit kein Wert gelegt wird, dass überhöhte Preise verlangt werden; kurz ein Unternehmen kann durchaus auf Betrug, Ausbeutung und Hinterlist aufgebaut sein und zu Reichtum kommen. Und trotz staatlicher Kontrollen gelingt es immer wieder Einzelnen durch kriminelle Machenschaften ihr Vermögen zu vermehren.

Hiob, so würde ich denken, ist nicht einer von denen, die durch Bosheit und Härte zu ihrem Wohlstand gekommen sind. Ich glaube vielmehr er gehört zu denen, die durch Geschick und Weisheit, durch Gottesfurcht und Aufrichtigkeit, durch Risikobereitschaft und Fleiß den Grundstock für ihren Reichtum gelegt haben. Sein Reichtum hinderte ihn aber nicht daran, an Gott zu glauben, ihm zu vertrauen, sich vor ihm zu demütigen und nach seinem Willen und Gebot zu leben.

Andererseits sehen wir an dem Beispiel von Hiob aber auch, dass gottesfürchtige Männer nicht unbedingt und selbstverständlich reich sein müssen. Denn Hiob geriet eines Tages plötzlich in Not und Elend. Zunächst sieht es wirklich so aus, als ob er reich war, weil er Gott verehrte. Gott hat ihn gesegnet, seine Herden wachsen lassen und ihn vor Katastrophen bewahrt, weil Hiob ihm vertraute. Gott segnet Gehorsam, Vertrauen, Ehrlichkeit. Aber auch solch vorbildliche Männer wie Hiob können eines Tages alles verlieren und in große Not geraten, ohne dass sie sich von Gott losgesagt oder gegen ihn rebelliert hätten.

Hiob verlor all seinen Reichtum praktisch an einem Tag, dazu seine Kinder und seine Gesundheit. Mit den materiellen Gütern verlor er auch Macht, Einfluss und Ansehen. Für ihn und seine Freunde führte das zu einem großen Konflikt. Wie konnte Gott seinen Knecht, oder Diener, so im Stich lassen???

Das ist ja die Frage, die viele von uns auch heute haben. Es gibt sogar eine große Zahl von Christen, die behaupten, dass Gott uns immer Wohlstand, Gesundheit und Erfolg schenken muss, wenn wir seine Bedingungen erfüllen. Diese Einstellung ist unter dem Begriff »Wohlstandsevangelium« bekannt geworden. Bei dieser theologischen Richtung wird fast genauso argumentiert, wie bei den Freunden Hiobs. Für sie ist klar: Hiob hat gesündigt und deshalb geht es ihm schlecht. Das klingt doch plausibel.

Hier hat das »Wohlstandsevangelium« einen guten Ansatz.

1.- Es ermutigt uns, nach Gottes Regeln zu leben und einen gehorsamen, heiligen Wandel zu führen.

2.- Es zeigt und erwartet, dass man auch ohne Betrug und Ausbeutung reich werden kann, wenn man rechtschaffen lebt.

3.- Es lässt uns Großes von Gott erwarten. Er kann unmögliche Dinge tun, er ist stärker und weiser als wir und kann uns zu mehr verhelfen, als wir je mit unserer Kraft erreichen können.

4.- Es gibt Gott die Ehre für unser Wohlergehen. Jedenfalls sollte und könnte es so sein.

In Wahrheit steht aber doch oft der eigene Glaube, die eigene Frömmigkeit, das eigene Verdienst, die eigenen Werke im Vordergrund. Dann heißt es: »Wir sind reich geworden, weil Gott uns gesegnet hat, - aber er hat uns gesegnet, weil wir die Bedingungen erfüllt haben.« Also lag es doch an uns. –

Das Problem mit dem Wohlstandsevangelium ist, dass es auch Ausnahmen gibt. Gott ist nicht gezwungen, jeden unbedingt materiell zu segnen. Er ist souverän. Wir können keine Ansprüche an ihn stellen.

Vor diesem Hintergrund muss jedes Unglück, jede Krankheit, Verlust und Leid als eine Strafe Gottes gesehen werden. - Doch auch hierzu hat das Buch Hiob eine wichtige Erkenntnis beizusteuern. Was vor den Menschen wie ein Strafgericht Gottes aussah, hatte hier einen ganz anderen Grund. Darüber erfahren wir später mehr.

Eine besondere Bedeutung hat dieses Buch für mich durch folgende Tatsachen gewonnen:

1.- Es wurde in einer sehr dunklen Zeit geschrieben, als es noch wenig Gottesoffenbarung gab - und doch wusste Hiob schon erstaunlich viel über seinen Schöpfer.

2.- Dieses Buch enthält ein Rätselraten über Gottes Wesen und die Hintergründe seines Handels. Dieses Rätselraten hat bis heute nicht aufgehört.

3.- In diesem einmaligen Buch wird versucht, die Ursache von Leid zu erklären. Und schon allein diese Diskussion kann nützlich sein, uns zu neuen Erkenntnissen verhelfen und uns demütig halten.

Wir beten:
Herr, wir danken Dir für dieses Buch Hiob. Es hat schon vielen Menschen in ihrer Not und ihren Fragen geholfen. Gib, dass wir lernen und verstehen, wie wir uns den großen Geheimnissen des Lebens gegenüber verhalten sollen. Amen.

Rüdiger Klaue

Weitere Predigten von Rüdiger Klaue findest Du unter http://www.rklaue.com/

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