Mittwoch, 22. Mai 2013
Don Antonio schließt die Kirchentür
Don Antonio erfuhr von den Sorgen der beiden alten Mercators. Der Mann war krank und bettlägerig. Seine Frau pflegte ihn nach besten Kräften. Aber der Hauswirt hatte ihnen gekündigt. Signor Botta kannte da keine Rücksicht. Er sagt, dass sein Sohn heiraten wolle und das Zimmerchen, in dem die beiden alten Leute hausten, benötigte. Sie sollten sehen, wie und wo sie anderweitig unterkämen.

Es hätte genug Möglichkeiten gegeben die Mercators aufzunehmen, aber kein Mensch im ganzen Ort wollte die alten Leute aufnehmen. Man wusste, dass der Mann krank war und dass sie nicht viel Miete zahlen konnten. Überall, wo Frau Mercator vorgesprochen hatte und ihre Notlage schilderte, hatte man sie abgewiesen.

Don Antonio war Pfarrer des Ortes. Und er wusste um die Hartherzigkeit mancher Familien, die den alten Signor Mercator lieber auf der Gasse sterben lassen würden, als ihn aufzunehmen und Herberge bieten.

Gewiss, die alten Leute hatten nicht viel Miete bei Signor Botta bezahlt, aber sie waren ehrlich und zahlten das Wenige stets pünktlich und willig. Nie musste Signor Botta auf die Miete warten oder drängen.

Jeder wird einmal alt und vielleicht auch krank. Don Antonio wusste auch, dass es umsonst war, bei Signor Botta um Kündigungsaufschub zu bitten.

Also beschloss der Pfarrer, ein Exempel zu statuieren und seiner Gemeinde eindringlich ins Gewissen zu reden. Er predigte am kommenden Sonntag:

"...denn ich war hungrig, und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich war durstig, und ihr habt mich nicht getränkt. Ich war fremd und ihr habt mich nicht beherbergt. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht bekleidet. Ich bin krank und gefangen gewesen und ihr habt mich nicht besucht..."

Die Predigt war gut und wurde gehört und verstanden. Aber keiner kümmerte sich um die beiden alten Leute in ihrer Notlage. Vielleicht würde der alte Mercator sterben? Und wer hatte gern Aufregung im Haus?

Der Pfarrer nahm die alten Leute in einer kleinen Kammer auf, die ihm als Schlafzimmer diente, und schlief auf dem Boden in der Küche des kleinen Pfarrhauses. Er hoffte, dass diese vorübergehende Aufnahme den Anstoß zur endgültigen Unterbringung in der Gemeinde geben würde, denn in dem kleinen Pfarrhaus des Dorfes war wirklich kein Platz für zwei Dauerbewohner.

Als nach drei Wochen immer noch keine Lösung gefunden war, erklärte Don Antonio, dass er morgen die Glocken eine halbe Stunde lang als Aufruf und Mahnung gegen die Hartherzigkeit läuten werde. Die Glocken drangen bis in die entfernteste Hütte des Tales. Aber es fand sich kein Echo. Die Beiden alten Mercators fanden auch keinen Gastgeber, der sie aufnehmen wollte, obwohl es genügend Platz für das alte Ehepaar gab in dem Ort.

Da nagelte Don Antonio eines Abends die Kirchentür mit zwei Brettern zu und erklärte den herumstehenden Gaffern, dass eine Gemeinde, die ihre Alten auf der Straße lasse, keinen Gottesdienst mehr brauche. Diese Handlung wurde in Windeseile bekannt. Aber es geschah nichts, was Hilfe brachte.

Zwei Wochen blieb die Kirchentür vernagelt. Dann fiel das erlösende Wort. Der Gastwirt erklärte sich zur Aufnahme der beiden alten Mercators bereit, wenn jemand ihm helfen würde den Dachboden ordentlich auszubauen. Zwei vernünftige Zimmer könnte man so einrichten. Bis es soweit wäre, wollte er die beiden Alten in seinem Fremdenzimmer kostenfrei unterbringen.

Sein Beispiel zog Kreise. Enrico kam als erster und bot seine Maurerkenntnisse an: kostenlos, wie er sagte.

Und dann kam eine merkwürdige Bewegung in die kleine italienische Gemeinde, die so hartherzig und verstockt gewesen war. Jeder wollte mithelfen, wieder gut zu machen, was bisher versäumt worden war. Jeder hatte ein schlechtes Gewissen das sich meldete.


Auf dem Dachboden der Gaststätte begann ein fröhliches Arbeiten. Don Antonio aber ging mit Hammer und Eisen an die Kirchentür und löste die Bretter die er quer davor genagelt hatte.

Am kommenden Sonntag war die Kirche gefüllt. Don Antonio predigte über das Licht, das in die Dunkelheit der Welt eingedrungen war und einen neuen Schein verbreitete.

Verfasser unbekannt


Zum Weiterdenken:

Don Antonios Verhalten, die Kirchentür zuzunageln, war sehr radikal. Aber er wusste sich nicht anders mehr zu helfen. Erst predigte er über Nächstenliebe und schließlich nahm er die beiden Alten sogar in seine bescheidene Wohnung auf, dass Zunageln der Kirchentür sollte die Menschen in seinem Dorf aufrütteln. Und tatsächlich nach zwei Wochen regte sich das Gewissen der Dorfbewohner, und einer nach dem anderen fing an zu helfen.

Wie sieht das bei mir aus, wenn ich Menschen treffe, die in Not sind? Bin ich bereit Ihnen zu helfen?

„Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten:
Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters,
ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!

Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben.
Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet.
Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.
Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.

Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen:
Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben,
oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?
Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen,
oder nackt und haben dich gekleidet?
Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

Und der König wird antworten und zu ihnen sagen:
Wahrlich, ich sage euch:
Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern,
das habt ihr mir getan.“

Matthäus 25, 34-40

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