Der Bibeltext:
Der Missionsgedanke, den eigentlich mein Bruder bei mir gesät hatte, wurde auf der Bibelschule erweitert und vertieft. Wir studierten die Bibel, hörten Missionare von verschiedenen Ländern berichten und lasen Missionsbücher. So wurde der Grund dafür gelegt, dass ich 1968 als Missionar nach Südamerika ging.
Mein erstes Land war Paraguay. Ich wusste praktisch nichts über dieses Land. Als ich dann das erste Mal die Hauptstadt verließ und ins Innere kam, lernte ich doch eine ganz andere Welt kennen. Paraguay ist dünn besiedelt und hatte riesige Gebiete ohne Anzeichen von Menschen oder Zivilisation. Als ich mich eines Tages so irgendwo in der Wildnis wieder fand, dachte ich fast, ich war am Ende der Welt angekommen. Einsamkeit, Verlassenheit und Angst überkamen mich. Wie gut war es da zu wissen: ‘Jesus ist bei uns bis an der Welt Ende.’
Damals verstand ich die Verheißung aus dem Missionsbefehl noch als örtlich begrenzt. Das Ende der Erde waren für mich die entlegensten Orte in der Pampa Argentiniens, im Chaco von Paraguay, in einem einsamen Tal in den Anden oder im Amazonasurwald. Natürlich meint Jesus hier mit dem Ende der Welt nicht eine Landschaft oder einen Ort, sondern das Ende der Weltzeit. Deshalb sagt er auch: Ich bin bei Euch Jeden Tag – oder alle Tage – bis an der Welt Ende. Dieses Weltende ist also zeitlich zu verstehen. Das macht aber eigentlich keinen Unterschied, denn wenn Jesus alle Tage bei uns ist, dann ist er auch an allen Orten bei uns.
Früher hörte ich in diesen letzten Versen aus dem Matthäusevangelium nur den Missionsbefehl: Gehet hin in alles Welt! Heute höre ich auch die tröstliche Verheißung in diesen Versen: Ich bin bei euch, alle Tage. Jesus scheint hier daran zu denken, dass die Zeit aus einzelnen Abschnitten, aus Tagen und Epochen besteht. Die Tage unseres Lebens können sehr unterschiedlich sein. Es gibt da Regentage und Sonnentage, Winter und Sommer, Frühling und Herbst. Diese Tage können sehr unterschiedlich sein.
Jesus könnte aber auch wirklich die Wochentage meinen: «Ich bin bei Euch am Sonntag, im Gottesdienst, aber auch am Montag, am Alltag und Werktag, ebenso wie am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag oder Samstag. An jedem Wochentag gibt es besondere Freuden, Sorgen und Herausforderungen. In diesem Sinne stehen die einzelnen Wochentage in unserem Leben für gewisse Erfahrungen, Episoden, Stimmungen oder Epochen. Es lohnt sich, über diese Wochentage nach zu denken.
Jesus verspricht seinen Nachfolgern bei ihnen zu sein an allen Tagen. Das gilt einmal sicherlich für die
* guten Tage. Die Tage der Freude, der Feier, des Festes. Jesus ist dabei, wenn es uns gut geht. Er freut sich mit uns, er nimmt teil an unseren Gefühlen und Erfahrungen. Die Sonnentage in unserem Leben sind die Gelegenheit, Jesus an unserer Freude teilhaben zu lassen und ihm für alles Gute zu danken. Oft vergessen wir allerdings Jesus gerade in den guten Tagen. Darum ist es sicher ein guter Gedanke, Jesus in unsere Feiertage ein zu beziehen. Am Tage der Freude eine besondere Andacht zu halten, einen Gottesdienst zu feiern oder wenigstens eine Gebetszeit, in der wir bewusst unseren Herrn an der Freude teilhaben lassen und ihm danken
* Jesus ist bei uns auch am Montag, am Alltag, dem Tag der Arbeit. Er ist da in der Hektik und der Aufregung des Berufslebens, der Schule oder der Familienereignisse. Oft ist gerade an diesen Tagen wenig Zeit, um über Gott und seine Gegenwart in unserem Leben nachzudenken. Entscheidungen sind zu treffen, Probleme zu lösen, Antworten zu geben, die Zeit drängt. Aber selbst wenn wir keine Zeit haben und von anderen Dingen bestürmt werden, ist Jesus bei uns. Er drängt sich nicht in die Hektik hinein oder fordert nach unserer Aufmerksamkeit, aber er sieht, wie es uns geht. Er sieht, wie wir im Stress reagieren, wie wir antworten, wie wir miteinander umgehen. Er nimmt wahr, wie wir um ein gutes moralisches Verhalten kämpfen, wie wir uns bemühen, eine geistliche Haltung zu bewahren und seinen Geboten gehorsam zu sein. Und durch seine Gegenwart möchte er uns zum Guten stärken.
* Jesus ist bei uns am Tag des Versagens, der Schande, der Scham und der Sünde. Das sind vielleicht die Tage, wo wir am wenigsten mit Jesus zu tun haben wollen. Wir wissen, wir haben uns nicht richtig verhalten und möchten unsere Taten und Reaktionen am liebsten verstecken. Dann ist es vielleicht bedrückend zu wissen, Jesus ist bei uns. Wir wollen uns lieber nicht daran erinnern lassen, dass Jesus jetzt an unserer Seite ist und sieht, was wir angestellt haben. Und doch ist Jesus auch dann bei uns. Er verlässt und nicht, er wendet sich nicht enttäuscht und voll Abscheu von uns, obwohl wir das manchmal so erwarten. Aber es sind gerade diese Momente der Schande und Scham, wo wir IHN brauchen. Gerade dann brauchen wir Vergebung, Versöhnung und Wiederherstellung.
* Jesus ist bei uns am Tage des Verlustes, der Trauer und Depression. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, wo ich bestohlen wurde. Plötzlich stand ich ohne Papiere und Geld in einer großen, fremden Stadt. In solchen Momenten denkt man zuerst über seine Situation und einen Ausweg nach. Ich fühlte mich so schrecklich verlassen, so enttäuscht und hilflos. Wer würde mir hier weiterhelfen können? Aber Jesus ist bei bei uns. Er gibt uns seinen Frieden, seinen Trost. Und irgendwie findet er auch einen Ausweg für uns.
* Jesus ist bei uns am Tage der Krankheit und der Schmerzen. Das sind wohl die Tage, wo wir am meisten Hilfe, Trost und Heilung brauchen. Dann erinnern sich die Menschen gewöhnlich an Gott. Sie sind sich ihrer Hilflosigkeit und Grenzen bewusst und wünschen sich, wieder schnell gesund und stark zu sein. Viele suchen dann nach einem Arzt, einem Heiler und jemanden, der ihre Lage verändern und ihren Zustand verbessern kann. Andere aber schauen nach einen Schuldigen aus und erinnern sich dabei an Gott. Sie klagen und fragen: Warum hat Gott das zugelassen? Womit habe ich das verdient? Warum greift er nicht ein. Wo ist Gott? Aber Gott ist da! Auch wenn wir es nicht merken, wenn er ferne und untätig zu sein scheint. Jesus sieht unser Leiden und unsere Krankheit. Er kann sehr gut mitfühlen, hat er doch selbst am Kreuz gelitten. Bei uns zu sein heißt ja nicht immer, dass Jesus alles Leid und alle Not von uns abwendet. Trotzdem ist er da und nimmt von all unseren Kämpfen, Schmerzen und Qualen Notiz.
* Jesus ist da auch am Tage der Todesschatten, der Zweifel und Ängste. Er versteht uns und stärkt uns. Jesus kennt auch die Schrecken der letzten Stunde. Er kennt die Einsamkeit und das Entsetzen vor dem Unbekannten. In diesem Moment brauchen wir die Hand, die uns hält und hinüber führt ans andere Ufer. Jesus lässt uns nicht allein.
Jesus ist bei uns, alle Tage, bis an der Welt Ende. Er leidet mit uns, er freut sich mit uns, er nimmt unsere Gefühle wahr, er sieht unsere Kämpfe, Niederlagen und Siege. Jesus war schon immer da, wo Menschen mit ihm rechneten. Im Alten Testament gibt es viele Männer und Frauen, die es in den verschiedenen Situationen ihres Lebens erfahren haben, dass Jesus da war. Ich denke da z.B. an.
* Hiob. Er war ein sehr reicher Mann. Auf seine große Familie und die vielen Herden Viehs konnte er wirklich stolz sein. Doch eines Tages nahm man ihm aller Reichtum und seine Familie. Er fiel in ein tiefes Loch und konnte sich sein Schicksal nicht erklären. Es schien so, als habe Gott ihn ganz und gar verlassen. - Aber das war nicht so. Gott beobachtete ihn sehr genau. Er hielt seine Hand über ihn und ließ nicht zu, dass der Teufel diesen Hiob ganz vernichtete. Am Ende bekommt Hiob wieder zurück, was er verloren hat und erkennt: Gott war da, er hat es alles gesehen, und als der Moment gekommen war, hat er zu meinem Besten gehandelt.
* Sehen wir uns Mose an. Er hatte von Gott eine große, schwere Aufgabe bekommen. Seine Verantwortung war es, das ganze Volk Israel durch eine weite, unwirtliche Wüste zu führen. Menschlich gesehen war es unmöglich so viele Leute mit Wasser und Nahrungsmitteln in solch einer Umgebung zu versorgen. Aber immer wieder, wenn Mose an ein unlösbares Problem kam, war Gott da und griff ein.
* Gehen wir weiter zu Daniel am Hofe des Königs Nebukadnezar. Als Daniel und seine beiden Freunde sich nicht vor der Statue des Königs verneigen wollten, wurden sie zum Tode verurteilt. Sie sollten im Ofen verbrannt werden. Und wer gehofft hatte, dass sie im letzten Augenblick vor den Flammen verschont bleiben würden, hatte sich geirrt. Gott bewahrte sie nicht vor dem Feuer. Aber siehe da, als die Männer in den Ofen geworfen wurden, brannten sie nicht. Ja, es waren sogar auf einmal vier Männer in den Flammen zu sehen. Der vierte war Jesus. Er hat versprochen: «Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.» In jeder Situation, an jedem Ort ist Jesus immer dabei. Er geht auch mit uns durchs Feuer und die Hitze der Not.
* Bei einer anderen Gelegenheit hatte Daniel sich wieder einmal nicht vor dem König gebeugt. Er hatte dem Verbot zu beten nicht gehorcht. Dafür wurde er zum Tode verurteilt. Diesmal bestand die Strafe darin, dass Daniel den Löwen vorgeworfen wurde. Und wirklich, Daniel landet in der Grube bei den Raubtieren. Hätte Gott das nicht verhindern können, wenn er gewollt hätte? Gott ist doch bei uns alle Tage? Nun, Gott hat noch größeres getan: Er war bei Daniel in der Löwengrube. Er roch den Geruch der Tiere, hörte ihr Knurren, fühlte ihr Fell... Gott stand neben Daniel, stärkte ihn, verteidigte ihn und errette ihn. Wir brauchen auch nicht zu erwarten, dass Gott uns vor der Löwengrube bewahrt. Aber er ist ganz nah bei uns mitten in der Gefahr. Und Seine Gegenwart macht uns ruhig und sicher.
* Auch im Neuen Testament finden wir viele Beispiele davon, wie Jesus seinen Nachfolgern nahe ist. Ich möchte da nur an Paulus und Silas erinnern, als sie in Philippi im Gefängnis saßen. Das war eine schmerzhafte, finstere, hoffnungslose Lage. Und doch sah Jesus sie dort, er war an ihrer Seite und fühlte mit ihnen. Als der richtige Zeitpunkt gekommen war, befreite Jesus Paulus und Silas und noch viele andere Gefangene.
* Bei Stephanus war die Lage etwas anders. Er wurde aufgrund seines Bekenntnisses zu Jesus zum Tode verurteilt. Aber er kam nicht mit dem Leben davon. Er wurde gesteinigt und starb. Ob Jesus ihn vergessen hatte? Ob er nicht bei ihm war in dieser schweren Stunde? Ob Jesus vielleicht nicht eingreifen konnte? - Nachdem was wir bisher gesehen haben, können wir ganz sicher annehmen, dass Jesus da war. Er stand neben Stephanus im Verhör und ganz besonders auch als er gesteinigt wurde. Jesus gab ihm die Kraft und den Mut treu zu bleiben und seinen Glauben nicht zu verleugnen. Und sicherlich trug der Herr seinen Diener dann sanft und friedvoll ans andere Ufer, in das unsichtbare Reich Gottes.
So wie Jesus bei all diesen Männer in der Bibel war, auch und gerade in den schweren Stunden ihres Lebens und an den bösen Tagen, so wird er auch mit uns sein. Er wird an unserer Seite stehen und mit uns leiden und wahrnehmen, was wir wahrnehmen. Der besondere Trost liegt aber in dem Wissen, dass Jesus, der König der Könige, der Herr aller Herren, der Allmächtige, der Unsterbliche, der Gott des Universums bei uns ist. Nichts ist ihm unmöglich und nichts zu schwer.
Fragen wir uns noch, ob wir wirklich alle mit der Gegenwart Jesu in unserm Leben rechnen können. Ist es nicht doch so, dass dieses Vorrecht, die Verheißung Jesu nur bestimmten Menschen vorbehalten bleibt? Das ist eine berechtigte Frage, denn zunächst wird die Verheißung ja im Zusammenhang mit dem Missionsbefehl gegeben. Also diejenigen Jünger Jesu, die hinaus gegangen sind, die das Evangelium verkündigt, die andere gelehrt und getauft haben, die dürfen also sicher damit rechnen, dass Jesus bei ihnen ist. An jedem Ort und zu jeder Zeit!
Aber an anderen Stellen in der Bibel ist das Kommen Jesu zu uns nicht an diese Bedingung verknüpft. Da heißt es in Johannes 1, 12 «Aber allen, die ihn aufnahmen und ihm Glauben schenkten, verlieh er das Recht, Kinder Gottes zu werden.» Wer Jesus bei sich aufgenommen hat, der wird auch mit ihm leben. Da wird Jesus auch immer gegenwärtig sein.
In Offenbarung 3:20 stehen diese Worte Jesu: «Gebt Acht, ich stehe vor der Tür und klopfe an! Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich bei ihm einkehren. Ich werde mit ihm das Mahl halten und er mit mir.» Auch mit dieser Aussage versichert Jesus uns, dass er allezeit bei uns sein wird.
Die Bedingung ist allein, dass wir Jesus einlassen und nicht aus unserem Leben verbannen, oder ausschließen. Wenn wir ihn aufgenommen haben, dann ist er bei uns, ob wir in Verfolgung leben, ob wir krank sind oder irgendwo auf der Welt in einem mehr oder weniger erfolgreichen Missionsdienst stehen. Darum wollen wir uns ganz sicher sein, dass wir Jesus in unser Leben eingeladen haben,- dass wir möchten, dass er allezeit bei uns ist. Wer sich darüber noch nicht ganz sicher ist, der kann Jesus heute mit einem einfachen Gebet bei sich einladen.
Wohnt Jesus in unserem Herzen können wir der Zukunft getrost entgegen sehen, wir können Risiken eingehen, Glaubensschritte wagen, seinem Wort ohne Rückhalte vertrauen, wir können Feinden furchtlos begegnen und immer und überall mit seiner Gegenwart rechnen. Er ist immer bei uns.
Wir beten:
Herr, wir danken dir für die wunderbare Verheißung, dass Du selbst allezeit bei uns sein willst. Nun hilf uns bitte auch, dass wir uns in allen Lebenslagen daran erinnern und Deiner Gegenwart bewusst sind – und Herr, hilf uns auch dieser großen Ehre gemäß, als Menschen zu leben, in denen Jesus, der Herr der Welt, gegenwärtig ist. Amen.
Rüdiger Klaue