Donnerstag, 2. März 2017
Predigtreihe über Hiob – Teil 25: Besserwisser (Hiob 32 – 37 in Auszügen)
Im Buch Hiob nähern wir uns jetzt dem Ende. In den Kapiteln 32 - 37 haben wir die einzige Rede eines vierten Mannes. Er heißt Elihu und war jünger als die drei Freunde Hiobs.


(31,1) »Die drei Männer gaben es auf, mit Ijob zu reden, weil er sich selbst für unschuldig hielt.

(32,2) Aber ein anderer, der dabeistand, Elihu, der Sohn Barachels, ein Busiter aus der Sippe Ram, konnte nun nicht länger an sich halten. Er war zornig auf Ijob, weil der sich im Recht sah und Gott die Schuld zuschob.

(32,3) Er war aber auch zornig auf die Freunde Ijobs, weil sie es nicht fertig brachten, Ijob seine Schuld nachzuweisen.

(32,4) Weil Elihu jünger war als die anderen, hatte er sich zurückgehalten, solange sie mit Ijob redeten.

(32,5)Doch als er sah, dass sie nichts mehr zu sagen wussten, ließ er seinem Zorn freien Lauf.«

Im ersten Vers wird zugegeben, dass all die Diskussionen und Argumente Hiobs und seiner Freunde über die Ursache des Leids zu keinem Ziel geführt hatten. Die Freunde konnten Hiob nicht von seiner Sünde überzeugen - und Hiob war nicht bereit, eine Sünde zu erfinden, um Frieden zu machen.

Auch konnte er seine Freunde nicht von seiner Gerechtigkeit überzeugen. Trotzdem hatten beide Seiten in gewisser Weise recht. Hiob war ein gottesfürchtiger Mann, das wird ihm schon zu Beginn des Buches von höchster Stelle bestätigt. Da sagt Gott zu Satan: »Hast du auch meinen Diener Ijob gesehen? So wie ihn gibt es sonst keinen auf der Erde. Er ist ein Vorbild an Rechtschaffenheit, nimmt Gott ernst und hält sich von allem Bösen fern.« (Hiob 1,8)

Andererseits hatten aber auch die Freunde recht, wenn sie behaupteten, Hiob sei ein Sünder. Alle Menschen sind Sünder, das sagt auch Paulus deutlich im Neuen Testament: »Kein Mensch kann vor Gott als gerecht bestehen,« (Römer 3, 10) - auch Hiob nicht. Und Jesaja sagt: »Wir alle sind von Unrecht befleckt; selbst unsere allerbesten Taten sind unrein wie ein schmutziges Kleid.« (Jesaja 64,5).

Beide Standpunkte gaben aber nicht eine zufrieden stellende Antwort auf die Frage nach dem Leid. Warum sollte Hiob so viel erleiden, wenn er doch ein guter Mensch war? Wofür sollte er hier bestraft werden? Anderseits: wenn doch alle Menschen Sünder waren, warum sollte es nur Hiob so schlecht gehen?

Nachdem nun alle ihre Argumente und Erklärungen hervor gebracht haben, wird es still. Das heißt nicht, dass eine Antwort gefunden war, es bedeutete wohl mehr, dass es hier keine einfache Antwort gab. Keiner spricht es aus und keiner möchte sich als besiegt ergeben, aber doch sagt das Schweigen: »Wir wissen es nicht, wir haben keine Erklärung für die Leiden von Hiob. Alles sind Versuche, es ist ein Raten und Vermuten. « Aber völlig befriedigt ist keiner, weder Hiob noch seine Freunde - und das Elend Hiobs besteht weiter. Es wird wohl grundsätzlich sehr schwierig sein, eine allgemein gültige Antwort auf das Leiden zu finden.

Nun meldet sich Elihu zu Worte. Bisher hat er noch nichts gesagt. Es ist auch nicht klar, woher er auf einmal auftaucht. Richtig zu Hiobs Freunden zählte er nicht, zumal er auch zur jüngeren Generation gehörte. Ich könnte mir vorstellen, dass die Unterhaltungen der Freunde hier halbwegs öffentlich geführt wurden. Es ist anzunehmen, dass Zuhörer irgendwo im Hintergrund standen und alles mit verfolgten. So lernte man. Hiob und seine Freunde wussten das und wahrscheinlich motivierte die Anwesenheit von anderen Leuten sie zu weiteren Erklärungen und Argumenten.

Bei Elihu - sein Name bedeutet »Gott ist Jehowa«, was vermuten lässt, dass er aus einer frommen Familie stammte - hatte sich mit dem Fortgang der Gespräche immer mehr Zorn aufgestaut. Er war zornig auf Hiob, dass er sich immer noch rechtfertigte und seine Sünden nicht zugeben wollte - und er war zornig auf die Freunde, die Hiob nicht von seiner Sünde überzeugen konnten. So weist er beide Seiten zurecht.

Elihu beginnt mit einer langen, ausführlichen, blumenreichen Einleitung über das ganze Kapitel 32. Er rechtfertigt sein Eingreifen damit, dass er neue Argumente ins Gespräch bringen könnte. So überzeugt ist er von seiner Weisheit, dass er sie unbedingt los werden muss. Nun sagt er:

(32,6) »Ich bin noch jung, bin nicht so alt wie ihr; drum hielt ich mich zurück und scheute mich, mein Wissen vor euch Männern auszubreiten.

(32,7) Ich sagte mir: ›Erst soll das Alter reden, Erfahrung langer Jahre hat den Vortritt.‹

(32,8) Doch was den Menschen klug macht, ist der Geist, der Hauch, den Gott ihm eingeblasen hat.

(32,9) Ob einer weise ist, liegt nicht am Alter; was recht ist, weiß man nicht aufgrund der Jahre.«

Hier hat er uns eine wichtige Wahrheit gesagt: »Was den Menschen klug macht, ist der Geist, den Gott ihm eingeblasen hat - nicht die Erfahrung des Alters, nicht die Intelligenz, nicht das Studium.«

Aber, wenn wir die Rede des Elihu lesen fragen wir uns, ob dieser Mann wirklich die Weisheit Gottes weiter gab. Es hat den Anschein, als hätte er zwar gewusst, wo Weisheit zu bekommen ist, aber er hat diese Quelle nicht angezapft.

Elihu sagt, er will Hiobs die rechten Antworten geben. Zuerst nimmt er Bezug auf die Behauptung:

(33,9) »9 Ich weiß von keiner Schuld und keinem Unrecht, unschuldig bin ich, frei von jedem Tadel.

(33,10) Doch Gott erfindet immer neue Gründe, damit er mich als Feind behandeln kann. «

Elihu reagiert darauf kurz und entschlossen:

(33,12) »Ich muss dir sagen, Ijob, du hast Unrecht. Mit Menschenmaß lässt Gott sich niemals messen!

(33,13) Was hast du ihm denn letztlich vorzuwerfen? Dass er zu allen deinen Fragen schweigt? «

Dann erklärt Elihu, wie und auf welche Weise Gott redet und die Menschen warnt. So sieht Elihu das Elend und die Krankheit des Hiob als ein Reden Gottes und eine Warnung vor Strafe und nicht als direkte Strafe für seine Sünden. Er sagt:

(33,19) »Gott mahnt (oder warnt) die Menschen auch durchs Krankenlager, wenn jemand Schmerz in allen Gliedern fühlt.«

Das ist ein neuer Gedanke in dieser Problematik, doch hilft das Hiob im Moment wenig. Er leidet und möchte wissen: Wofür?

Als nächstes möchte Elihu einen weiteren Satz widerlegen, den Hiob gesprochen hat:

(34,5) »Ich bin im Recht; doch Gott verweigert mir die Anerkennung.
(34,6) Das Urteil über mich hat er gefälscht, sein Pfeil bringt mir den Tod ganz ohne Schuld! «

Elihu entgegnete:

(34,12) »Gott tut gewiss kein Unrecht, nie und nimmer! Er, der Gewaltige, verdreht kein Recht! «

Damit hat Elihu recht, aber das hatten die anderen Freunde auch schon gesagt. So wie er hatten sie auch schon die Souveränität Gottes angesprochen und erklärt, dass Gott doch machen könne, was er wolle, und wir ihn niemals für sein Handeln zur Rechenschaft rufen dürfen. Somit tut Elihu das gleiche wie seine Zuhörer: Er verteidigt Gott - mit Argumenten, Beispielen und Vergleichen. Und auch er greift Hiob an und verurteilt ihn und seine Reden. Elihu hat ja Recht, aber er zeigt keine Liebe und kein Mitgefühl für Hiob.

Er begeht den Fehler, den viele wohlmeinende Tröster in einer ähnlichen Lage begehen würden. Anstatt dem Leidenden Verständnis und Trost zu bringen, schleudert Elihu ihm zornig und überheblich die Wahrheit an den Kopf.

Der arme Hiob. Ihn plagen die Schmerzen in den Knochen, die Haut juckt, es ist ihm übel, das Fieber brennt in seinem Innern und er fühlt sich schlapp und krank. Und hier kommt einer nach dem anderen mit langen Reden, komplizierten Argumenten, Erklärungen, Anklagen, Kritik, Schuldzuweisung und dem Ruf zur Buße. Sie sind zornig und arrogant und verstehen sich als Gottes Advokaten - aber es fehlt ihnen das wichtigste: Die Liebe.

Trotzdem haben wir hier viel über Gott erfahren. Das Ringen der Männer um Erklärung für das Leid hat zum Studium des Wesens Gottes geführt, zum Beobachten, Suchen, Lernen. Und es hat manche neuen Erkenntnissen gebracht. So ist es wohl immer: Wenn wir uns in dringenden Fragen und in Not und Verzweiflung an Gott wenden, lernen wir neue Seiten an ihm kennen und unser Gottesbild wird nach und nach kompletter und vollständiger.

In einem müssen wir Elihu aber auch recht geben. Er sagt über Hiob:

(34, 37) »Zu seinen Sünden fügt er Rebellion; in unserer Mitte sät er Zweifel aus und häuft die bösen Worte gegen Gott.‹«

Damit lenkt Elihu den Blick von der Vergangenheit auf die Gegenwart. Er meint etwa »Wenn wir von Hiobs Sünden sprechen wollen, dann brauchen wir gar nicht in der Vergangenheit zu suchen. Jetzt und hier in dieser Prüfung zeigt sich Rebellion, Unglaube und Hinterfragen der Güte Gottes. « Man könnte sagen: »Nicht die Sünden führten Hiob in die Not, sondern die Not verführte ihn zum sündigen. Die Krise offenbarte schließlich, wie selbstgerecht er war und wie schwach sein Gottvertrauen.

So sehr wie wir seine Lage, seine Leiden und Versuchungen verstehen und Ausschreitungen entschuldigen können, sie waren nicht richtig. Diesen Aspekt im Leben des Hiob dürfen wir nicht verschweigen; denn wer gerecht sein will, darf nicht verwerfen, was gut und richtig ist auf beiden Seiten; er darf aber auch nicht gut heißen oder verteidigen, was falsch ist.

Hiob hat gegen Gott rebelliert, er hat Gott angeklagt und hat Gottes Gerechtigkeit und Liebe infrage gestellt. Einem ungläubigen Beobachter hätte er damit das Bild von Gott verdunkelt und manch einen schwachen Christen ebenfalls zu Zweifel und Unglaube verleiten können. Zum Glück hatten Hiobs Freunde sehr starke Überzeugungen und standen ganz entschieden auf Gottes Seite.

Noch einmal greift Elihu eine Frage Hiobs auf und beantwortet sie:

(34,3) »Du sagst zu ihm: ›Was nützt mir meine Unschuld? Sie fällt bei dir ja doch nicht ins Gewicht!‹

(34,4) Auf diese Frage will ich Antwort geben; sie gilt zu gleicher Zeit für deine Freunde:

(34,6) Mit deiner Sünde kannst du Gott nicht schaden und alle deine Fehler tun ihm nichts.

(34,7) Ihm bringt' s auch nichts, wenn du das Rechte tust; er ist auf dein Geschenk nicht angewiesen.

(34,8) Dein Mitmensch leidet unter deiner Bosheit und ihm nur nützt das Gute, das du tust. «

Offenbar fühlt Hiob sich von Gott verlassen. Er ist dem Höchsten gleichgültig geworden. Die Unschuld Hiobs interessiert ihn nicht, seine Bemühungen nimmt Gott scheinbar nicht war. Elihu bestätigt das indem er sagt: »Gott bringt es nichts wenn Du das Rechte tust. Er ist nicht auf unsere guten Taten angewiesen und ihm schaden auch unsere Sünden letztlich nicht. «

Schon vorher in Kap. 22 wurde dieser Gedanke von Elifaz angesprochen:

(22, 2)»Wie kann ein Mensch für Gott von Nutzen sein! Sich selber nützt der Mensch, der Einsicht hat!

(22,3) Was bringt es Gott, wenn du das Rechte tust? Hat er Gewinn, wenn du vollkommen bist? «

Es stimmt wohl, was die Freunde hier über Gott sagen: Selbst mit unseren schlimmsten Sünden können wir Gott nicht schaden. Und unsere größten Anstrengungen helfen ihm nicht. Aber richtig ermutigend ist dieser Gedanke ja nicht. Welche Motivation haben wir dann noch, der Versuchung zu widerstehen oder Gott zu dienen?

Andererseits stimmt diese Behauptung aber auch nicht! Denn Gott ist wohl interessiert an dem was wir sagen, was wir tun, wie es uns geht. Er liebt uns doch. Seine Aufmerksamkeit, seine Fürsorge, sein Erbarmen ist uns zugewandt. Wenn Hiob auch Gott nicht verstehen konnte und Ihn nicht zum Reden und Handeln bewegen konnte, Gott war doch da, er war sehr interessiert an Hiobs Verhalten, er hatte Mitleid mit ihm und er plante schon etwas sehr Schönes für Hiobs Zukunft.

In den Kapiteln 36 und 37 finde ich kaum noch neue Gedanken, alles wurde schon vorher von Hiobs Freunden angesprochen. Nun versucht Elihu noch sehr ausführlich in bilderreicher Sprache die Größe und Macht Gottes zu veranschaulichen. In diesen Versen erhalten sicherlich viel Stoff und ein paar kernige Aussagen, die sich für heutige Anbetungslieder eignen.

Der letzte Gedanke seiner Rede lautet:

(37,23) »Wir können niemals zu ihm hingelangen; er ist so mächtig, so gerecht und stark, zu keiner Zeit tritt er das Recht mit Füßen.

(37,24) Darum muss jeder Ehrfurcht vor ihm haben! Doch alle, die sich selbst für weise halten, die sieht er nicht, sie gelten nichts bei ihm. «

Vielleicht musste Hiob es noch ein letztes Mal hören, dass Gott gerecht und souverän ist. Und dass man sein Handeln in Ehrfurcht und Ergebenheit akzeptieren muss. Ob es dem leidenden, geplagten Mann geholfen hat, ob seine Fragen damit beantwortet waren, ob er nun zur Buße und zum Frieden gefunden hat, wird uns nicht gesagt. Hiob selbst schweigt.

Aber im nächsten Kapitel ergreift Gott das Wort. Er stellt Hiob viele Fragen, die ihm zeigen, wie wenig er weiß, und wie hoch Gott über ihm ist.

Wir beten:
Herr, in diesem Buch sehen wir, wie schwer es ist, einem leidenden Menschen eine befriedigende, tröstliche Antwort auf seine Fragen zu geben. Vielleicht geht es auch gar nicht um eine Antwort, sondern viel mehr darum, dass Du selbst ihn mit Deiner Gegenwart und Wärme tröstest. Lass auch uns nicht auf Argumente und Beweise warten, sondern auf Deine Gnade, Deinen Beistand und Deine Nähe in unserer Not. Amen.

Rüdiger Klaue

Weitere Predigten von Rüdiger Klaue findest Du unter http://www.rklaue.com/

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