Donnerstag, 2. März 2017
Predigtreihe über Hiob – Teil 22: Reichtum und Einfluss (Hiob 28 – 29 in Auszügen)
In seinem Schmerz und seiner Qual erinnert sich Hiob in Kapitel 29 noch einmal an frühere Zeiten. Er tut es ohne Bitterkeit und Groll, aber doch mit einer leisen Wehmut. Das klingt durch, wenn er mit einem Seufzer in Vers 2 sagt: »Ach, wenn es wieder so wie früher wäre, als Gott mich führte und mein Leben schützte! « In seinem Rückblick sehen wir, dass Hiob früher wirklich ein sehr reicher Mann war. Er war ein Herr, ein Fürst, ein nobler Scheich, angesehen und wohlwollend.

Im Kapitel 29 nennt Hiob mindestens fünf Gebiete auf denen es ihm außerordentlich gut ging. Vor dem Verlust seiner Güter und vor seiner Krankheit war er in jeder Hinsicht ein ganz anderer Mensch, als jetzt im Elend.

1.- Das erste Gebiet, in dem alles in Ordnung gewesen zu sein schien, war das Verhältnis zu seinem Gott. Damals war Gott sein Freund, der sein Heim bewahrte, der ihn führte und schützte. Hiob sagt:

(29,1-5) »Ach, wenn es wieder so wie früher wäre, als Gott mich führte und mein Leben schützte! Er schenkte mir Erfolg an jedem Tag, in dunklen Stunden leuchtete sein Licht. Wär's einmal noch wie in der besten Zeit, als Gott mein Freund war und mein Heim bewahrte! Mit seiner ganzen Macht stand er mir bei. «

Ein großer Wandel hat seitdem stattgefunden. Jetzt sieht es auf einmal so aus, als ob Gott sich von Hiob abgewandt hat. Als kranker und verarmter Mann fühlt Hiob sich im Stich gelassen. Er kann Gottes Führung und Schutz nicht mehr sehen. Offensichtlich bewahrt Gott nicht mehr sein Heim und steht ihm nicht mehr bei mit seiner Macht. Die Tatsachen und seine ganze Situation zeigen deutlich, dass Gott sich von ihm zurück gezogen hat und ihn in seinem Elend allein lässt.

Doch dieser Eindruck stimmt nicht. Wir wissen, dass Gott seinen Diener nicht aus den Augen gelassen hat. Gott hat jedes Wort, jede Frage und jedes Bekenntnis gehört. Er hat jede Träne gezählt und mit seinem Freund mit gelitten. Er hat immer noch seine Hand über ihn gehalten und dem Satan gewehrt. Außerdem war Gottes Plan mit Hiob noch nicht zu Ende.

Was Hiob nicht wusste und nicht wissen konnte war, dass er sein Leben nicht in diesem Elend beschließen würde. Gott würde ihm wieder allen seinen früheren Reichtum, seine Gesundheit und alles Ansehen zurückgeben.

Normalerweise ist es ein schwacher Trost, wenn wir Menschen im Leid sagen: »Gott meint es gut mit Dir. Er hat dich nicht verlassen. Ein besseres Leben und eine Herrlichkeit hält er noch für Dich bereit. Dein Leid und Traurigkeit wird er verwandeln in Freude und Ehre. «

Hätten wir Hiob das erzählt, er hätte vielleicht gelacht, wie es manch einer heute tut - und gesagt: »Du hast gut reden. Was Du mir erzählst ist ein billiger Trost und ein leeres Versprechen. «

2.- Als Zweites erinnert sich Hiob an seinen früheren Reichtum: »Die Kühe und die Ziegen gaben Milch, so viel, dass ich drin hätte waten können. Kein Boden war zu steinig für Oliven, ich hatte Öl in ungeheuren Mengen. « (Hiob 28,6). Nicht erwähnt hat Hiob hier seine Herden, von denen im erste Kapitel berichtet wird wo es heißt: »Er hatte 7000 Schafe und Ziegen, 3000 Kamele, 1000 Rinder und 500 Esel. Dazu hatte er auch viele Knechte und Mägde. « Wehmütig denkt Hiob daran, wie reich er einmal war und wie arm und elend er jetzt ist.

3.- Dann beschreibt Hiob sein Ansehen und seine Bedeutung in der Gesellschaft. Er sagt:

(28,7) »Ging ich zum Rat der Ältesten am Stadttor und setzte mich in ihrer Runde nieder,

(28,8) so traten alle Jungen scheu beiseite, die Alten standen auf und blieben stehen;

(28,9) die Edlen hörten plötzlich auf zu reden und legten einen Finger auf die Lippen;

(28,10) sogar die Angesehensten verstummten, als wäre ihre Zunge festgeklebt.

(28,11) Wer mich erblickte oder reden hörte, war voller Lob für mich und meine Taten:«

Hier wird deutlich, welch eine hohe Stellung Hiob hatte. Er wurde respektiert von den Jungen und von den Ältesten und Edlen. Ob man ihm diese Achtung zollte, weil er so reich war? Oft ist es ja so, dass man sich vor einer reichen Person verneigt.

Jakobus im Neuen Testament schreibt an die Geschwister in der Gemeinde:

(2,1) »Meine Brüder und Schwestern, ihr glaubt an Jesus Christus, unseren Herrn. Dann dürft ihr aber auch nicht Unterschiede machen, je nachdem, ob ein Mensch in der sozialen Rangordnung hoch oder niedrig steht!

(2,2) Nehmt einmal an, ihr seid zum Gottesdienst versammelt, und es kommt ein Mann mit goldenen Ringen und in vornehmer Kleidung herein und ebenso ein Armer in Lumpen.

(2,3) Und ihr sagt zu dem gut gekleideten Mann respektvoll: »Bitte, hier ist noch ein bequemer Platz! « Aber zu dem Armen sagt ihr: »Du kannst dort hinten stehen«, oder auch: »Setz dich hier neben meinen Stuhl auf den Boden! «

(2,4) Trefft ihr da nicht höchst fragwürdige Unterscheidungen und urteilt nach verwerflichen Maßstäben?«

Es ist also eine ganz natürliche Neigung, dass wir reiche Leute bevorzugen. Warum ist schwer zu sagen. Ob wir damit ihre Leistungen anerkennen, oder ihre Macht, die mit dem Geld zusammen geht. Oder ob wir ihre Gunst gewinnen wollen, damit wir einmal Hilfe von ihnen erwarten können?

Vielleicht verehrten die Angesehen und edlen Ratsherren Hiob auch wegen seiner Weisheit. Offenbar waren die Einschätzungen und Urteile Hiobs bewährt, vorteilhaft und von Nutzen gewesen; denn er sagt:

(28,21) »Denn alle warteten auf meinen Rat und hörten schweigend meiner Rede zu;

(28,22) dann wollte niemand mehr noch etwas sagen. Sie sogen meine Worte auf wie Tropfen;

(28,23) sie warteten darauf wie auf den Regen, so wie Verdurstende nach Wasser lechzen.«

Ohne Zweifel hatte dieser Fürst im Orient seinen Mitbürgern etwas Gutes und Wichtiges zu sagen. Er war weise, vertrauenswürdig und bewährt.

Wie weit Anerkennung und der Respekt der Ratsherren wirklich echt war, zeigt sich später. Als Hiob all seinen Besitz verloren hatte und krank wurde, war es mit der Ehrfurcht und dem Respekt vorbei. Im nächsten Kapitel klagt Hiob. »Jetzt aber muss ich mich verspotten lassen von solchen, die viel jünger sind als ich. « Die hohen Ratsherren haben ihn vergessen. Sie treten nicht einmal für ihn ein, wenn der geringe Pöbel ihn verspottet. So war es weniger die Weisheit, die man an Hiob schätzte als vielmehr das Geld, den Einfluss und die Macht. Nun hat Hiob alles verloren.

3.- Von seiner Hilfsbereitschaft, seinem sozialen Engagement erfahren wir durch Hiob selbst, wenn er sagt:
(28,12) »Ich half den Armen, die um Hilfe riefen, den Waisenkindern, denen niemand beistand.

(28,13) Von neuem Mut Erfüllte priesen mich, den Witwen gab ich Sicherheit und Freude.

(28,14) Gerechtigkeit war immer mein Gewand, mein Mantel und mein Turban war das Recht.

(28,15) Für die Erblindeten war ich das Auge und für die Lahmen wurde ich der Fuß.

(28,16) Für die Bedürftigen war ich der Vater, das Recht der Fremden prüfte ich genau.

(28,17) War einer grausam, brach ich ihm den Kiefer und riss ihm seine Beute aus den Zähnen. «

Also obwohl Hiobs Freunde ihm immer wieder Vergehen, Sünden und Unterlassungen vorwerfen wollten, war Hiob offenbar doch ein mitleidiger, wohltätiger Helfer für die Armen und Kranken. Das konnte er nur solange sein, wie er reich war. Nun, wo er allen Besitz verloren hat, bleibt ihm nur noch die Erinnerung an die Zeit, als er noch helfen konnte. Jetzt ist er selber arm und krank, doch kaum jemanden scheint das weiter zu interessieren.

4.- Ein weiteres Gebiet auf dem sich das Leben Hiobs radikal verändert hat ist seine Zukunftserwartung und seine Hoffnung. Er sagt:

(28,18) »Ich hoffte, alt zu werden wie der Phönix und so wie er in meinem Nest zu sterben.

(28,19) Ich glaubte, wie ein starker Baum zu sein, der seine Wurzeln tief ins Wasser senkt und dessen Zweige nachts der Tau befeuchtet.

(28,20) Ich dachte, immer neuen Ruhm zu finden und immer stark zu bleiben wie ein Bogen, der Pfeil auf Pfeil verschießt und nicht ermattet.«

So sah die Zukunft für Hiob noch vor einigen Tagen aus. Die Chancen standen nicht schlecht, dass dieser reiche Viehzüchter einmal im hohen Alter, bei guter Gesundheit und im Luxus und Ansehen sterben würde. Doch mit dem Verlust seiner Güter, seines Ansehens und seiner Gesundheit war ihm der Boden unter den Füßen weggerissen.

Ich hörte in Ecuador von einem Mann, der wegen des Verdachts auf Drogenhandel ins Gefängnis gesteckt wurde. Dieser Österreicher war der Herausgeber einer noblen Modezeitschrift. Dafür war er auch hier unterwegs, um exotische Fotos in Südamerika zu machen. Nun saß er im Gefängnis und konnte sich kaum mit seinen Angehörigen verständigen. Seine Ausrüstung und alles Geld hatte man ihm abgenommen und keiner wollte ihm sagen wie es jetzt weitergehen würde und wie lange er im Gefängnis verbleiben müsste. Damit verlor dieser Mann nicht nur unerwartet seine Freiheit, sondern auch sein Geschäft, seine Existenz und die ganze Zukunft. Er sagte: »Ich bin plötzlich vor eine Wand gelaufen. Alle meine Pläne und Möglichkeiten sind dahin. Ich bin ruiniert. Was einmal Wert für mich hatte ist bedeutungslos geworden. « Dieses Schicksal hat mich damals sehr bewegt, und ich fürchtete mich, dass auch uns einmal ähnliches widerfahren könnte.

5.- Zusätzlich zu allem anderen verlor Hiob auch noch seine Gesundheit. Immer wieder beschreibt er seinen Zustand:

(29,15) »Der Schrecken greift nach mir mit kalter Hand;

(29,16) Ich spüre, wie mein Leben aus mir fließt. Seit Tagen schon umklammert mich die Qual.

(29,17) Nachts bohrt der Schmerz in allen meinen Knochen, als sollten sie aus meinem Körper fallen; die Nerven können keine Ruhe finden.«

Von einem gesunden, starken, hoffnungsvollen Menschen ist plötzlich ein schwacher von Schmerzen geplagter Mann übrig geblieben. –

In Deutschland ist es mir so aufgefallen, dass man sich gegenseitig zu Neujahr oder zum Geburtstag viel Glück wünscht und gute Gesundheit. Dann haben die Leute meist noch hinzugefügt: »Ja, Gesundheit, das ist das Wichtigste, was hilft all das andere«. Und so ist es wohl auch. Wenn wir gesund sind können wir arbeiten und unseren Lebensunterhalt verdienen. Wir können wieder eine Existenz aufbauen, selbst wenn wir alles andere verloren haben. Wir können wieder Vertrauen, Achtung und Respekt gewinnen und selber mutig in die Zukunft blicken.

Ist jedoch unsere Kraft dahin, dass wir nicht die geringsten Arbeiten verrichten können, geht es uns wirklich schlecht. Wir können uns nicht verteidigen, nicht selbst versorgen und sind auf die Hilfe und Güte anderer Menschen angewiesen. Oft noch wird ein Kranker missverstanden, gering geachtet, beschimpft und kritisiert. Das deprimiert ihn und nimmt ihm allen Lebensmut. Von allen irdischen Gütern ist wohl die Gesundheit das wichtigste, die Grundlage, ohne die wir nie wieder hoch kommen. Mit seiner Gesundheit hatte Hiob auch noch die letzte Voraussetzung für eine menschenwürdige Zukunft, für Ansehen und Wohlstand verloren.

Nun in seinem großen Elend schaut Hiob zurück auf die Vergangenheit, wo es ihm so gut ging. Wenn uns einmal Ähnliches passieren sollte, dann bleiben uns vier Möglichkeiten wie wir damit umgehen können.

(1) Resignieren. Das heißt, wir können uns aufgeben, die Hoffnung begraben, aufhören zu kämpfen und uns bedauern und uns ganz unserem Elend hingeben. Für einen Mann wie Hiob, der einmal den Segen Gottes so reichlich erfahren hat, ist das keine gute Möglichkeit.

(2) Wir können verbittert werden. Wenn das geschieht werden wir mürrisch und lassen uns von dem Gefühl dominieren, dass wir ungerecht behandelt wurden. Wir suchen und finden Schuldige für unser Elend, werden unzufrieden mit unseren Mitmenschen und mit Gott. Als Folge ziehen wir uns zurück, werden unfreundlich, mürrisch, undankbar und einsam.

(3) Wir können auch in Trauer und Depression verfallen. Uns allen ist einmal viel anvertraut worden: unsere Sinne, Kräfte, Gaben, Ausbildung, Familie, Kinder, Gesundheit, soziale Stellung, - doch mit zunehmendem Alter werden wir eines nach dem anderen abgeben müssen. Meist geht es nicht so plötzlich wie bei Hiob, aber doch werden auch wir eines Tages so ziemlich alles verlieren. Das kann einen schon sehr wehmütig und traurig stimmen.

(4) Wir können uns auch dankbar daran zurück erinnern, was uns einmal alles gegeben war. Freilich schmerzt der Verlust, aber wir haben die Erfahrung eines guten Lebens gehabt. Auch das ist etwas Wert - und das können wir nicht verlieren.

Natürlich wünschen wir uns alle, dass wir einmal dankbar und zufrieden auf die Vergangenheit zurück blicken können. Aber ob es uns gelingt, ist nicht sicher. Doch wir können uns jetzt schon auf Verluste und Leiden einstellen und uns darin üben, alles dankbar aus Gottes Hand zu nehmen.

Hiobs Glaube hatte sich in guten Zeiten bewährt, nun sollte er sich noch in schweren Zeiten bewähren. Immerhin kannte er seinen Gott aus den Jahren des Wohlstands und der Gesundheit. Nun würde er ihn auch noch in Armut, Krankheit und Schmerzen kennen lernen. Das würde ihm Gelegenheit geben, Gottes Wesen besser zu verstehen und im Glauben zu wachsen. Wie reif und weise hatte Hiob am Anfang gesagt: »Wenn Gott uns Gutes schickt, nehmen wir es gerne an. Warum sollen wir dann nicht auch das Böse aus seiner Hand annehmen? «

Wir beten:
Herr, wenn uns Unglück trifft, so lass uns geistlich, als Deine Kinder darauf reagieren und damit rechnen, dass Du uns auch im Leid und Elend nicht allein lässt - Amen.

Rüdiger Klaue

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