Der Bibeltext:
(5,6)»Des Menschen Unglück wächst nicht aus der Erde, und was ihm Not macht, trifft ihn nicht von außen.
(5,7) Aus seinem eigenen Wesen kommt das Leid, so wie der Funkenwirbel aus dem Feuer.
(5,8) Ging's mir wie dir, ich wüsste, was ich täte: Ich brächte meine ganze Not vor Gott.
(5,9) Er ist's, der Wunder tut, unzählbar viel, so groß, dass wir sie nicht verstehen können.
(5,10) Er lässt den Regen auf die Erde fallen, damit das Wasser alle Felder tränkt.
(5,11) Wer niedrig ist, den hebt er hoch hinauf; wer weint und klagt, den lässt er Freude finden.
(5,12-13) Er fängt die Listigen mit ihrer List; was ihre klugen Köpfe stolz ersinnen, das stellt er auf den Kopf und macht's zunichte.
(5,14) Am hellen Mittag schlägt er sie mit Blindheit und lässt sie tappen wie in dunkler Nacht.
(5,15) Er hilft den Schwachen, schützt sie vor Verleumdung und reißt sie aus der Hand der Unterdrücker.
(5,16) Den Armen gibt er Zuversicht und Hoffnung, jedoch den Bösen wird das Maul gestopft.
(5,17) Wie glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist! Wenn er dich jetzt erzieht, lehn dich nicht auf!
(5,18) Die Wunden, die er schlägt, verbindet er; denn seine Hand schlägt zu, doch heilt sie auch.
(5,19) Sooft dich auch das Unglück treffen mag, er wird dir helfen und dem Schaden wehren.
(5,20) In Hungerzeiten hält er dich am Leben, im Krieg lässt er das Schwert nicht an dich kommen.
(5,21) Er schützt dich vor dem Zischeln böser Zungen; du musst nichts fürchten, wenn das Unheil naht.
(5,22) Gewalt und Hunger kannst du stolz verlachen; vor wilden Tieren hast du keine Angst.
(5,23) Auch auf dem freien Felde bist du sicher und jedes Raubtier lässt dich dort in Frieden.
(5,24) In Haus und Hof bleibt alles unversehrt, auf deinen Weideplätzen fehlt kein Tier.
(5,25) Du siehst, wie deine Kinderschar sich mehrt, so zahlreich wie die Halme auf der Wiese.
(5,26) In hohem Alter kommst du dann ins Grab, so wie man Korn erst einfährt, wenn es reif ist.
(5,27) Das alles, Ijob, haben wir erforscht. Du solltest es dir merken, denn es stimmt! «
Zu Beginn seiner Antwort erinnert Elifas seinen Freund daran, dass er doch so vielen anderen Menschen geholfen habe. Und nun, wo er selber im Unglück steckt, wird er schwach: wörtlich sagte Elifas »Du hast doch viele Menschen unterwiesen und schlaff gewordene Hände stark gemacht. Wenn jemand strauchelte, du halfst ihm auf, den weichen Knien gabst du Halt und Kraft. Jetzt, wo du selber dran bist, wirst du schwach und kannst dem Unglück nicht ins Auge sehen. « (Verse 3-5)
Ja, aber so ist das. Es ist leicht, den Leidenden Mut und Trost zuzusprechen, aber wenn es einen selber trifft, sieht die Sache ganz anders aus. Deshalb sollte man vorsichtig sein und den Mund nicht zu voll nehmen. Erst wer selber durchs Unglück und schwere Zeiten gegangen ist, hat eine gewisse Autorität etwas dazu zu sagen.
Nun sagt Elifas noch etwas Interessantes: »Des Menschen Unglück wächst nicht aus der Erde, und was ihm Not macht, trifft ihn nicht von außen. Aus seinem eigenen Wesen kommt das Leid. « (Verse 6-7)
Ich glaube, was Elifas meint ist, dass jeder selber einen gewissen Teil schuld an seiner Lage hat. Die Entscheidungen, die er in seinem Leben getroffen hat, die Freunde, die er sich gesucht hat, die Bücher, die er gelesen hat, die Musik, die er gehört hat, die Filme, die er sich angeschaut hat, die Vorbilder, die er sich genommen hat, all das hat dazu beigetragen, ihn an den Ort und die Position zu bringen, in der er sich jetzt befindet.
Das heißt, der Mensch ist nicht nur einem blinden Schicksal ausgeliefert. Oft hat er selber daran mitgewirkt, dass es ihm schlecht geht. Das hatten wir schon im vorigen Teil der Rede gehört, als Elifas etwa sagte: »Was der Mensch sät, das wir er ernten. « Das mag in vielen Fällen so sein, und wir tun wohl gut daran uns zu fragen, wo wir unser Unheil selbst verschuldet haben.
Doch im Falle Hiobs stimmt das nicht. Er hatte seine Verluste und Schmerzen nicht selber verschuldet. Gott hatte es vielmehr zugelassen, dass Satan ihn auf die Probe stellen sollte.
Und nun hat Elifas noch einen sehr guten Vorschlag. Er sagt: »Ging's mir wie dir, ich wüsste, was ich täte: Ich brächte meine ganze Not vor Gott. « Das finde ich nun mal einen guten Rat. Bisher hatte Hiob auch nur den Tag seiner Geburt verwünscht und spekuliert, wie es wäre, wenn er tot wäre. So weit berichtet wird, hatte er noch nicht mit Gott über seine Not gesprochen.
Die Bibel ermutigt die Menschen, ihre Lasten und Sorgen im Gebet vor Gott zu bringen und bei ihm abzuladen. Selbst Jesus hat das getan, wie uns in Hebräer 5, 7 berichtet wird: »Als er noch auf der Erde lebte, hat Jesus sich im Gebet mit Bitten und Flehen an Gott gewandt, der ihn vom Tod retten konnte; mit lautem Rufen und unter Tränen hat er seine Not vor ihn gebracht. Weil er treu zu Gott hielt, ist er schließlich auch erhört worden. «
Wenn wir jemanden trösten wollen sind wir geneigt, ihm Versprechen zu machen: »Es ist ja nicht so schlimm. Warte noch ein Weilchen, es wird alles wieder gut werden. Gott wird dein Leid noch ändern« - oder wie der Freund Zofar von Naama sagt: »Das Unheil, das dich traf, kannst du vergessen wie Wasserfluten, die verlaufen sind. Dein Leben zeigt sich dann in neuem Licht und strahlt noch heller als die Mittagssonne; nach aller Dunkelheit kommt Morgenglanz. « (Hiob 11, 16-17)
Das sind so typische Trostworte. Aber oft sagen wir das so ohne Fundament, als ein vages Versprechen, ein Wunschdenken, von dem wir selbst nicht so recht überzeugt sind. Beim Trösten müssen wir immer aufpassen, dass wir nicht leere Behauptungen aufstellen oder unrealistische Erwartungen wecken.
Das ist oft so ein Balanceakt. Wir wissen und glauben auf der einen Seite, dass Gott Wunder tun und heilen kann, dass er viel mehr schenken kann, als wir uns träumen lassen. Auf der anderen Seite ist Gott aber auch souverän und lässt sich von unseren Wünschen und Vorstellungen nicht manipulieren. Es kann immer sein, dass Gott andere Pläne mit uns hat, als wir es uns denken und begehren.
Auch dafür gibt es viele biblische Beispiele, wie z.B. Paulus und Jesus selbst. Aber auch Hiob ist ein Beispiel dafür, dass Gott bestimmte Gründe hatte, ihn Armut und Unglück erleben zu lassen.
Wer glaubt, dass Gott immer alle Krankheiten heilen muss, wird enttäuscht werden. Oder er muss fragwürdige, menschliche Erklärungen finden, wenn Gott nicht nach seinen Vorstellungen handelt. Trost kommt oft nicht an, weil der Betroffene fühlt, dass es nur leere Worte sind, die jeder Autorität entbehren.
Nun rät Elifas aber dem leidenden Hiob: »Bring Deine Not vor Gott! « Damit meint er wohl auch: ‘Sage Gott nicht, was er tun soll, sondern schütte ihm Dein Herz aus und überlass es IHM, was er damit tun möchte.’ -
Ich finde es immer wichtig, dass man die Not mit Gott in Verbindung bringt, dass man also Gott mit hinein nimmt in seine Situation, seine Gefühle, Gedanken, Fragen und Sorgen. Natürlich weiß er schon, was uns bedrückt und was wir wollen, aber wir brauchen jemand, dem wir das alles sagen können. Wir brauchen jemand, der uns versteht, der mitfühlt, der unsere Kämpfe sieht. –
Hiob beschuldigt nicht Gott direkt für seine Situation, er klagt ihn nicht an und verlangt nicht direkt eine Änderung seiner Handlungsweise. Doch indirekt klingt es immer wieder durch. Er ist mit Gott nicht zufrieden, er fühlt sich ungerecht behandelt, er empfindet, dass Gott hier einen Fehler begeht und etwas falsch macht.
Ja, dass Hiob ihm etwas vergeben müsse. Natürlich hat Hiob unrecht! Gott macht keine Fehler! Und wir - als gute Christen - würden es überhaupt nicht wagen, so etwas zu denken oder auszusprechen. Wir würden es als Gotteslästerung empfinden - und so unterdrücken wir solche Gedanken - was aber unser Verhältnis zu Gott nicht gerade verbessert.
Manchmal ist es schwer, in solchen Leiden und Schmerzen selber zu Gott zu beten und ihm sein Herz auszuschütten. Da ist es meist hilfreich, wenn ein Freund kommt und sagt: »Lass uns zusammen beten und alle Deine Sorgen und Fragen, Deine innere und äußere Not, Deine Wünsche und Hoffnungen vor Gott bringen. « Das kann schon sehr erleichtern.
Nachdem Elifas gesagt hat, dass Hiob seine Lage vor Gott bringen soll, fängt er an Gottes Eigenschaften und Taten aufzuzählen. Es bewegt mich, wie Hiob und seine Freunde immer wieder versuchen, Gott zu erkennen und zu verstehen. Sie hatten damals noch nicht viele Hilfsmittel dazu, aber sie haben fleißig geforscht, beobachtet und nachgedacht und mit dazu beigetragen, uns ein kompletteres Gottesbild zu zeigen.
Im Vers 17 dieser Rede finden wir noch einen Hinweis, der uns nachdenklich macht. Elifas sagt da: »Wie glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist! « Elifas hat das wohl auf Hiob und sein Leid bezogen. Er möchte das Unglück als eine Erziehungsmaßnahme Gottes, als eine Zurechtweisung und Korrektur verstehen. Vielleicht haben die Erfahrungen des Hiob im Leid auch eine gewisse reinigende Wirkung in seinem Leben gehabt, aber wir wissen aufgrund der Vorgeschichte, dass das nicht Gottes Absicht war.
Ich möchte den Ausspruch des Elifas aber ganz allgemein und grundsätzlich verstehen. Es hat immer einen Wert, wenn Gott einen Menschen erzieht und zurechtweist. Wie er das tut und woran wir das merken ist jetzt nicht unser Thema.
Also hier sind einige Vorteile oder Ergebnisse der Züchtigung Gottes:
(1) Wir begehen weniger Fehler. Eine gute Erziehung der Eltern erkennt man daran, wie sich die Kinder benehmen. Höflichkeit, Zurückhaltung, Hilfsbereitschaft, Dankbarkeit und viele andere Tugenden sind zum großen Teil anerzogen. Von sich aus würden die Kinder sich eher zänkisch, egoistisch, frech und ungenießbar zeigen. Es wäre schwer mit ihnen zusammen zu leben; und sie selber würden sich manche Konflikte und Schwierigkeiten ins Haus holen.
So ist es auch bei Gott. Wo er die Menschen erzieht, kommen die Tugenden zum Vorschein und die Untugenden werden unterdrückt. Disziplinarische Maßnahmen sind nicht immer angenehm, sie tun oft sogar weh. Aber wenn sie im rechten Geist angewandt und angenommen werden, können sie zum großen Segen werden.
(2) Erziehung und Disziplin bewahren den Menschen vor manchen Fehlern. Ich denke da an Mose. Er war ein ungestümer Mann, der sogar an einem Mord schuldig wurde. Gott schickte ihn für einige Jahre in die Schule. In der Wüste, bei den Schafen lernte er Selbstbeherrschung, Geduld, Abhängigkeit von Gott, er lernte mit Entbehrungen zu leben, auf Luxus zu verzichten und zu dienen. Hätte Mose die göttliche Erziehung früher genossen, wäre es sehr wahrscheinlich nie zu dem Mord gekommen. Aber durch die Disziplin wurde er vorbereitet für einen Dienst als Leiter, für die Aufgaben und die Konflikte, die ihn da erwarteten. So kann Gottes Schule auch unser Leben auf die rechte Bahn lenken, uns vor Fehlern und Sünden bewahren und für größere Aufgaben zubereiten.
(3) Durch Gottes Erziehungsmaßnahmen werden wir fruchtbarer und brauchbarer. Nur wenigen Schülern fällt es wirklich leicht, ihre Hausaufgaben zu machen. Wenn sie sich nicht selber dazu disziplinieren, müssen es die Eltern tun. Aber ohne Disziplin und Erziehung würden sie nie so viel lernen und ihre Examen bestehen.
Jeder Musiker, jeder Spitzensportler, jeder Wissenschaftler weiß, wie viel eiserne Disziplin, Zucht und Verzicht nötig ist, um es in seinem Fach zu etwas zu bringen. Wer aber fleißig trainiert, studiert und praktiziert, der wird ein brauchbarer, leistungsstarker Profi werden. So können uns Gottes Zucht und Korrektur auch zu effektiveren und besser geeigneten Gliedern seiner Gemeinde machen.
Wie glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist! Wenn er dich jetzt erzieht, lehn dich nicht auf!» Sagt Elifas zu Hiob. Wer Gottes Korrektur und Disziplin annimmt, wird viel lernen. Sein Wandel als Christ wird erprobter und authentischer sein, sein Zeugnis vor der Gemeinde und vor der Welt wird überzeugender sein. Ihm selbst wird es leichter fallen, in den Konflikten und Kämpfen des Lebens zu bestehen.
Nun waren die Leiden und Schmerzen des Hiob aber keine Erziehungsmaßnahmen Gottes. Das wissen wir aus der Vorgeschichte. Doch so etwa, wie Hiobs Erfahrungen, könnten die Erziehungsmaßnahmen Gottes auch wirklich aussehen. Wer durch die Schule der Leiden gegangen ist, hat oft einen viel tieferen, festeren Glauben und er hat Vollmacht und Autorität über gewisse Probleme etwas zu sagen.
Elifas versucht noch dem Hiob deutlich zu machen, dass Gott nicht immer vor Unglück bewahrt, sondern dass er die Menschen sehr oft im oder durch das Unglück bewahrt. Er sagte: »Sooft dich auch das Unglück treffen mag, er wird dir helfen und dem Schaden wehren. In Hungerzeiten hält er dich am Leben, im Krieg lässt er das Schwert nicht an dich kommen. Er schützt dich vor dem Zischeln böser Zungen; du musst nichts fürchten, wenn das Unheil naht. « (Verse 19-21)
Hiob war zwar ganz nahe am Rande des Todes und er wünschte sich auch zu sterben, aber Gott hat ihn nicht umkommen lassen.
Das Beste, was Elifas in dieser Rede sagte war wohl diese Satz: Ging's mir wie dir, ich wüsste, was ich täte: Ich brächte meine ganze Not vor Gott.
Wir beten:
Herr wir danken Dir, dass Du auf unsere Gebete hörst und Dich für unser Schicksal interessierst. Nicht immer wirst Du eingreifen wie wir es wünschen, aber wir wollen es lernen, uns Deinem Willen zu unterordnen. Amen.
Rüdiger Klaue