Der Bibeltext:
(5,4) Der Herr lässt den Leuten von Israel sagen: »Kommt zu mir, dann bleibt ihr am Leben!
(5,5) Geht nicht nach Bet-El; denn Bet-El muss an den Bettelstab! Geht auch nicht nach Gilgal; denn Gilgal muss an den Galgen! Und geht erst recht nicht über die Grenze nach Beerscheba!«
(5,6) Kommt zum Herrn, dann werdet ihr leben! Sonst wird er wie Feuer über die Nachkommen Josefs herfallen. Dieser Brand wird auch das Heiligtum von Bet-El fressen; niemand kann ihn löschen.
(5,7) Weh euch! Ihr tretet das Recht mit Füßen; ihr verdreht es, dass es bitter wird wie Galle!
(5,8) Er hat das Siebengestirn und den Orion geschaffen. Er lässt aus Dunkelheit Licht werden und aus Licht wieder Dunkelheit. Er ruft das Wasser aus dem Meer und lässt es auf die Erde herabregnen. »Herr« ist sein Name!
(5,9) Er vernichtet die Mächtigen und zerstört ihre Festungen.
(10) Weh euch! Ihr hasst jeden, der in der Gerichtsversammlung die Wahrheit sagt und das Unrecht anprangert!
(5,11-12) Ich kenne eure Vergehen! Ihr beutet die Armen aus und verlangt von ihnen hohe Abgaben an Korn. Ihr verfolgt ehrbare Bürger, nehmt Bestechungsgelder an und verweigert den Schutzlosen ihr Recht. Aber die Strafe lässt nicht auf sich warten: Ihr werdet eure neuen Häuser nicht bewohnen und den Wein aus euren neu angelegten Weinbergen nicht trinken.
(5,13) Deshalb handelt jeder klug, der in solch einer bösen Zeit schweigt und sich euch nicht ans Messer liefert.
(5,14) Kommt zurück zum Guten, kehrt euch ab vom Bösen! Dann werdet ihr am Leben bleiben. Dann wird der Herr, der Gott der ganzen Welt, wirklich bei euch sein, wie ihr behauptet.
(5,15) Hasst das Böse, liebt das Gute! Sorgt vor Gericht dafür, dass Recht Recht bleibt! Vielleicht wird dann der Herr, der Gott der ganzen Welt, denen gnädig sein, die von den Nachkommen Josefs übrig bleiben.
(5,16) Weil ihr das Recht mit Füßen tretet, kündigt der Herr, der ganzen Welt, euch an: »Auf allen Plätzen wird man Trauerlieder hören, in allen Gassen Weherufe. Die Landleute werden von den Feldern geholt, um die Toten zu beweinen; alle, die sich darauf verstehen, werden zur Totenklage herbeigerufen.
(5,17) Selbst die Weinberge, in denen sonst Freude und Jubel herrschten, werden erfüllt sein von Klagegeschrei. Denn ich werde unter euch blutige Ernte halten. Das sage ich, der Herr!«
Manchmal bringen mich die Botschaften der Propheten in Probleme. Die Worte sind an Völker mit einem anderen kulturellen Hintergrund zu einer anderen Zeit gerichtet. Wir verstehen wenig von den sozialen und moralischen Zuständen in einem Land 700 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Wir wissen kaum etwas über die politische Situation und über die Bedrohungen und Ängste einer Nation im mittleren Orient. So wissen wir auch nicht, wie wir die Worte der Propheten auf unsere Zeit und unsere Probleme anwenden sollen.
Andererseits überraschen uns die Propheten auch manchmal mit kurzen, kernigen Aussprüchen, die wir verstehen, die uns etwas zu sagen haben und die uns eine Hilfe in unserem täglich Leben sein können. In unserem Abschnitt heute sind es zwei knappe Sätze, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der eine heißt: Hasset das Böse und liebet das Gute. Und diese Aussage möchte ich zuerst untersuchen.
Hasset das Böse und liebet das Gute! Das ist Gottes Botschaft, sein Wunsch und Befehl an das Volk Israel – aber es ist noch genauso eine Erwartung an uns. Mit dem Guten, von dem er hier spricht, ist sicherlich das Gesetz Gottes, die 10 Gebote, gemeint. Darüber hinaus aber auch alle Anweisungen, Ordnungen und Befehle, die uns von IHM gegeben sind. Wer sich daran hält und danach lebt, der tut Gutes.
Wir sollen also die Gebote Gottes wert achten, grundsätzlich „Ja“ dazu sagen und sie gerne tun. Die wenigsten von uns wachsen mit solch einer Liebe zu den Geboten Gottes auf. Viel eher empfinden wir sie als eine Last, eine Einschränkung, eine Bedrohung, viel zu schwer, sie zu erfüllen. Oft erscheinen sie uns auch ungerecht und als etwas, das uns den Spaß am Leben rauben will. So ist unsere Grundeinstellung zu Gottes Geboten schon gleich negativ. Deshalb fällt es uns so schwer, das Gesetz zu befolgen. Wir rebellieren dagegen, weil wir meinen, so etwas könnte kein liebender Gott von uns erwarten. Sobald wir aber unsere Einstellung dem Gesetz gegenüber ändern, finden wir es gut, nützlich und hilfreich. Wir können darin die Liebe und Weisheit Gottes erkennen. Und es fällt uns auch gar nicht mehr so schwer, das Gute zu tun.
Die Einstellung zum Gesetz zu ändern ist gar nicht so leicht. Da sind viele Einflüsse um uns, die uns schon von klein auf gegen die christliche Lehre und Moral beeinflusst haben. Viele Menschen in unserer Gesellschaft, die meisten Autoritäten, die Mitbürger und Freunde missachten die Gebote anstatt sie zu lieben und ehren. Man muss schon bereit sein, gegen den Strom zu schwimmen, wenn man sagt: Ich respektiere die Gebote Gottes, nehme sie als verbindlich für mich an und befolge sie. –
Vielleicht können wir es gar nicht einmal von uns aus, dass wir unsere Einstellung zum Gesetz von Grund auf ändern. Diese Veränderung muss von Gott selbst kommen. Er muss uns die Einsicht, das Verlangen und die Kraft geben, seine Anordnungen zu respektieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich (und viele können es bestätigen) dass eine grundlegende Änderung meiner Einstellung zu den Geboten durch eine Krise entstand, die ich als Bekehrung bezeichne. Unterstützt wird diese Erfahrung durch biblische Aussagen, die betonen, dass der Mensch erst eine „Neue Kreatur“ sein muss, bevor er Gottes Gebote verstehen und lieben kann. Die Bekehrung geschieht aber nur, wenn wir ihr zustimmen. Sie ist dann auch mit der Vergebung unserer Sünden und dem ewigen Leben in Herrlichkeit verbunden. Wenn Sie eine positive Einstellung zu Gottes Gesetz haben wollen, geht das auch heute noch. Indem Sie Ihre falsche Haltung zugeben und bereuen und sich entschließen, ein Leben im Gehorsam mit Gott zu beginnen.
Hasset das Böse und liebet das Gute – hatte der Prophet gesagt. Das Gute ist also das Gesetz Gottes. Das Böse ist in diesem Zusammenhang zuerst einmal alles, was Amos an Sünden und Verfehlungen bei den Israeliten sieht. Da spricht er von Unterdrückung und Ausbeutung der Armen, von Ungerechtigkeiten, Unmoral und Korruption. Das Böse war in diesem Volk zur Norm geworden. Alle handelten danach und missachteten den Willen Gottes. Mit ihren Taten bewiesen sie, dass sie das Böse liebten und das Gute hassten.
Sie sollten aber das Böse verurteilen, Abstand davon nehmen und sich abwenden. Vielleicht waren die Leute aber schon so abgestumpft, dass sie gar nichts Verkehrtes mehr an ihrem Wandel fanden. Sie hatten vergessen, was Gott dazu sagt. Zum Glück taucht da ein Prophet auf, der sie auf ihren Zustand aufmerksam macht. Er zeigt ihnen, dass es auch anders gehen kann. Man muss nicht jede Gelegenheit nutzen um sich auf Kosten anderer zu bereichern. Man muss nicht mehr und mehr Besitz aufhäufen, man muss nicht lügen und betrügen, um überleben zu können, man muss nicht die Armen unterdrücken, um in der Gesellschaft mehr zu gelten, man muss nicht alle Leute als Feinde bekämpfen, die die Wahrheit sagen.
Gerechtigkeit und Gehorsam gegen Gott, die Liebe zu den Geboten kann genauso oder noch besser Befriedigung, Glück und Erfüllung bringen. „Hasset das Böse!“ sagt der Prophet. Und was er und Gott jetzt erwarten ist, dass die Hörer eine Reaktion zeigen. Das muss nicht unbedingt sofort und öffentlich sein. Aber die Leute sollen nachdenken, ob Amos nicht recht hat. Sie sollen dann auch in ihrem Herzen sagen: „Ich will grundsätzlich Abstand vom Bösen nehmen, ich will es nicht mehr tun!“ Das ist es, was Gott erwartet. Es würde die Not und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft verändern und die einzelnen Menschen glücklicher und zufriedener machen.
„Hasset das Böse und liebet das Gute“ hatte der Prophet den in Unruhe, in Korruption und Unmoral lebenden Menschen in Israel gesagt. Der nächste Satz, der mir sehr wichtig und prägnant vorkommt lautet. „Kommt zu mir, dann bleibt ihr am Leben“ oder „Suchet mich, so werdet ihr leben“. Vielleicht hilft es uns zu sehen, dass Gott hier eine Verheißung gibt. Er sagt: „Ihr bleibt am Leben.“ Ich denke, das war es, was die Leute wollten. Sie wollten richtig leben: In Freiheit, in Sicherheit, Wohlstand und Frieden. Sie wollten aber auch Spaß und Freude haben und nicht eingeschränkt und bedroht werden. Sie wollten Anerkennung, Wertschätzung, Respekt und Liebe. Das gehört zu einem glücklichen, richtigen Leben. Und das wollen auch wir.
Israel versuchten offenbar dieses richtige Leben zu finden, indem es seine Mitbürger unterdrückte und betrog, indem es die Gutmütigen ausnutzte und die anständigen Leute an die Seite drängte. Es war eigentlich gar nicht so angenehm auf dieser Basis in der Gesellschaft zu verkehren. Man musste dauernd auf der Hut vor den Machenschaften und Intrigen der anderen sein. Man musste Angst haben, dass die unterdrückten und ausgebeuteten Armen sich irgendwann rächen würden. Allen Wohlstand und Luxus konnte man gar nicht so richtig genießen. Die gesamte Gesellschaft war korrupt. Ich kann mir denken, dass viele der Einwohner Israels gar nicht so richtig glücklich waren. Sie hatten nicht gefunden, was sie gesucht hatten, sie waren enttäuscht.
Dazu kam noch, dass sie in der Angst vor einem Krieg lebten. Es ging ihnen gut, aber da waren die Nachbarvölker, die auch etwas von dem Wohlstand abbekommen wollten. So ganz konnten die Zeitgenossen wohl auch nicht die Worte des Propheten vergessen. Er hatte ja Strafen, Katastrophen und Kriege angekündigt. Also von irgendwo her drohte Gefahr, sie waren sich ihres Lebens und Wohlergehens nicht sicher. Sie bekamen Angst und suchten Schutz und Hilfe. Die Aussicht, bei Gott ein ruhiges, sicheres Leben, also auch Bewahrung und Schutz zu finden, muss doch für viele eine Sehnsucht und Erwartung geweckt haben.
Dieses Leben, das der Prophet hier verspricht, bedeutet aber noch mehr. Es erinnert die Menschen an die Ewigkeit. Alles, was uns hier erwarten kann, ist der Tod. Trotz Reichtum und Wohlstand, trotz Stärke und Klugheit. Jeder wird einmal sterben müssen. Auch der Gerechte, der Gottesfürchtige und der, der das Gesetz liebt und befolgt.
Das Versprechen“... so werdet ihr leben“ wäre also nur ein verhältnismäßig geringer Lohn für alle Bemühungen, anständig zu sein. Es wäre kein wirkliches Versprechen, denn das Leben wäre vielleicht etwas besser, aber nicht dauerhaft. Es würde ja doch so oder so enden und damit alles sinnlos machen. Wahres Leben müsste nicht nur ein glückliches sein, sondern auch ewiges. Israel wusste um diese Ewigkeit.
Die Ewigkeit, das Leben danach, das gibt dem Leben hier erst seine ganz andere Dimension und Perspektive. Im Jenseits herrschen andere Bedingungen, andere Werte, andere Möglichkeiten. All unser Tun auf Erden gewinnt eine andere Bedeutung, wenn wir mit einem Leben nach dem Tod rechnen. Das jetzige Verhalten der Israeliten war ein Zeichen dafür, dass sie nicht an ein endgültiges Gericht glaubten - auch nicht an einen Himmel und nicht an eine Hölle und ebenso wenig an ein ewiges Leben.
Die Verheißung und der Wunsch Gottes an alle Menschen ist: wir sollen leben, für ewig leben, bei IHM in Herrlichkeit. Doch diese Verheißung ist auch an eine Bedingung gebunden. „Suchet mich“ oder „Kommt zu mir“, so lässt Gott den Propheten sagen, „so werdet ihr leben.“
Die Aufforderung: „Suchet mich“ erging einmal an das Volk, weil es das wahre Leben an verkehrten Stellen bei selbst gemachten Göttern suchte. Die hatten ihre Heiligtümer in Gilgal und in Beerscheba. Dorthin wandten sich die Israeliten in ihrer Angst. Sie erwarteten Schutz vor Krieg und Katastrophen durch Opfergaben an heiligen Stätten. Aber Gott war nicht in Gilgal und nicht in Beerscheba. Gott wollte ständig in den Gedanken und Herzen seines Volkes sein. Nicht an einem physischen Ort, sondern mitten unter den Leuten und im Leben eines jeden Einzelnen. Doch von da war er schon lange verbannt.
Jeder, der Böses tun will hat nicht gerne Gott in seiner Nähe. Also Israel war geneigt, sein Leben in spirituellen Zeremonien zu finden. Vielleicht suchten sie auch Hilfe bei anderen Völkern und Herrschern in der Nachbarschaft. Aber die Hoffnungen mussten hier enttäuscht werden. Gott allein kann das Gericht abwenden, Er allein kann Recht schaffen und das Volk zu Recht bringen und heilen. Und das ist auch heute noch so. Die meisten Menschen denken nicht mehr daran, dass Gott sie zu Recht bringen kann. Sie suchen Hilfe in der Droge, in der Unterhaltung, in der Medizin, bei Göttern, die viel versprechen und wenig halten.
Weil sich das Volk in der Zwischenzeit so weit von Gott entfernt hatte und seine Gebote und seinen Willen nicht mehr kannte und befolgte, musste Gott sagen: „Suchet mich“. Es würde einige Mühe und Anstrengung kosten, den wahren, den liebenden, vergebenden und errettenden Gott zu finden. Zu viel Staub lag auf ihrer Erinnerung. Zu viele andere Helfer hatten sie aufgesucht, zu viele Einflüsse hatten die Wahrheit verdeckt. Israel kannte seinen Gott gar nicht mehr. Es wusste nicht, wo er zu finden war und wie man Kontakt zu ihm aufnehmen konnte.
Man muss Gott schon suchen, um ihn zu finden. Überall da, wo Menschen sich aufgemacht haben, um Gott zu suchen, haben sie ihn auch gefunden. Für manche war die Suche lang und mühsam, für andere leicht und schnell. Manche mussten viele Umwege gehen und an verschiedenen Orten anhalten, andere haben kaum ihr erstes Gebet gesprochen, als sie Gott plötzlich wahr nahmen. Wie mühsam es ist hängt oft von dem Menschen selber ab. Wenn er zu sehr nach Beweisen sucht, zu sicher gehen will, nicht vertrauen in Gottes Wort hat, zuerst andere Religionen erforschen will, dann kann es lange dauern.
Immerhin, Gott gibt uns hier eine Bedingung und eine Verheißung. „Suchet mich, oder kommt zu mir, so werdet ihr leben.“ Die Verheißung – zu leben - schließt alle Wünsche und Hoffnungen ein, die wir als Menschen haben können. - Gottes Bedingung ist so leicht, dass sie jedermann in einem Augenblick erfüllen kann. „Suchet mich“. Wir brauchen nicht zu klagen, zu diskutieren oder vor Gott zu fliehen. Alles, was Er von uns erwartet ist, dass wir zum ihm kommen oder ihn suchen, um mit ihm Gemeinschaft zu haben.
Wir beten:
Herr, danke dass Dein Wort heute noch genau so zuverlässig ist, wie in grauer Vorzeit. Wir danken Dir für das Versprechen und die Aussicht auf ewiges Leben bei Dir. Über die Bedingung dazu ist schon viel spekuliert worden. Gib, dass wir klar verstehen was es heißt, Dich zu suchen – und dass wir auch jetzt bereit sind, es zu tun. Danke, dass Du Dich finden lässt. Amen.
Rüdiger Klaue