Der Bibeltext:
(3,9) Der Herr sagt: »Lasst vor den Palästen in der Philisterstadt Aschdod und in Ägypten ausrufen: Kommt, versammelt euch auf den Bergen rings um die Stadt Samaria und seid Zeugen dafür, wie dort Unterdrückung und Gewalt an der Tagesordnung sind!
(3,10) Ihre Bewohner treten das Recht mit Füßen und häufen in ihren Häusern Schätze auf, die sie mit Raub und Mord an sich gebracht haben.
(3,11) Deshalb kündige ich, der mächtige Gott, den Leuten von Samaria an: Feinde werden euer Land umzingeln, eure Befestigungen niederreißen und alle eure Häuser ausplündern.
(3,12) Von den Israeliten, die in Samaria wohnen, wird genauso viel übrig bleiben wie von einem Lamm, das ein Löwe verschlingt. So wie ein Hirt gerade noch zwei Schenkelknochen oder einen Zipfel vom Ohr als Beweisstück rettet, so werden die feinen Leute gerettet, die sich in Samaria auf ihren Luxusbetten räkeln.«
(3,13) Der Herr, der Gott und Herrscher der ganzen Welt, sagt: »Hört her und verkündet es den Nachkommen Jakobs:
(3,14) Der Tag kommt, an dem ich die Leute von Israel für ihre Verbrechen bestrafen werde. Dann zerstöre ich die Altäre des Heiligtums in Bet-El, ihre Hörner werden abgebrochen am Boden liegen.
(3,15) Ich lasse die prächtigen Häuser in Trümmer sinken, die Sommervillen und die Winterpaläste; die elfenbeingeschmückten und hoch aufgestockten Bauten werden dem Erdboden gleichgemacht. Das sage ich, der Herr.«
Und dann fragen wir uns auch immer wieder: Was sollen wir jetzt mit diesen Drohbotschaften anfangen die vor 2.200 Jahren einem alten Volk im mittleren Orient gegeben wurden? –
Dazu gibt es zwei Gedanken, die mir helfen, die Bibel trotzdem mit Interesse zu studieren.
1.- Die Probleme, Vergehen und Sünden der Menschen vergangener Tage sind heute noch die gleichen. Auch heute gibt es Gewalt, Unterdrückung, Ausbeutung und Unrecht.
2.- Unrecht darf nicht einfach stillschweigend hingenommen werden. Gott hat aus Liebe und Erbarmen den Menschen seiner Zeit ihre Vergehen und Schuld gezeigt und vor den Konsequenzen gewarnt. Das klingt nicht immer schön, das hört auch keiner gerne. Aber es ist nötig und hoffentlich auch heilsam. Alle Gerichtsandrohungen haben nämlich nur das eine Ziel, die Menschen zur Umkehr zu bewegen und sie vor der Verdammnis zu bewahren.
Nun möchte ich auf einige Aussagen im Text eingehen. Es heißt im Vers 9: Der Herr sagt: »Lasst vor den Palästen in der Philisterstadt Aschdod und in Ägypten ausrufen: Kommt, versammelt euch auf den Bergen rings um die Stadt Samaria und seid Zeugen dafür, wie dort Unterdrückung und Gewalt an der Tagesordnung sind! 10 Ihre Bewohner treten das Recht mit Füßen und häufen in ihren Häusern Schätze auf, die sie mit Raub und Mord an sich gebracht haben.“.
Zunächst fällt mir an dieser Aussage auf, dass der Prophet zwei heidnische, gottlose Nationen aufruft, als Zeugen für das Unrecht in Israel aufzutreten. Das Philisterland und Ägypten, sollen sich auf den Bergen um Samaria versammeln und sich die Unterdrückung und Gewalt ansehen. Sicherlich sind diese beiden Zeugen moralisch keinen Deut besser als Israel. Sie waren ja auch für ihre Korruption und Hinterlist bekannt. Aber gerade sie, die viel Unrecht gewohnt waren, sollten sich nun einmal das Treiben im Volk Gottes ansehen.
Ägypten und Philisterland waren moralisch nicht in der Lage, ein Urteil über Israel fällen zu können. Sie selber waren ja noch schlimmer, - aber sie konnten davon Zeugnis ablegen, dass hier im Volk Gottes „Unterdrückung und Gewalt“ an der Tagesordnung waren. Nicht nur für den reinen und heiligen Gott war das Verhalten der Leute von Samaria erschreckend und abstoßend, sondern sogar für gesetzlose Nachbarvölker.
Und wenn wir einmal in unsere Zeit und unser Land schauen, dann werden wir Parallelen entdecken. Nicht nur die frommen Moralisten sind entsetzt, was in unserer Nachbarschaft alles an Unmoral und Grausamkeiten geschieht, sondern selbst gottlose Weltmenschen, die selber keine saubere Weste haben, sind empört. Es geschehen hier Dinge, die nicht geschehen dürfen, die Unrecht sind - nicht nur in den Augen eines heiligen und strengen Gottes.
Während ich diese Predigt vorbereite hörten wir zum wiederholten Male von Eltern, die ihr eigenes Kind haben verhungern lassen. Die Fälle häufen sich, wo in unserem Land Kinder von ihren Eltern misshandelt oder getötet werden. Man muss kein frommer Bibelleser sein, um solche Taten zu verurteilen. – So wurde auch in diesem Sommer (2008) bekannt, dass in einer der größten deutschen Firmen Betrug, Unterschlagung und Schmiergeldaffären vorkamen. Bis in die höchsten Kreise haben einflussreiche Männer illegale Handlungen von ungeheuren Ausmaßen verübt. –
In der Sportlerwelt ist das Doping zwar verboten, gehört aber derart zu den Wettkämpfen, dass ehrliche Leute fast keine Chance haben zu siegen. Wir brauchen nicht in fremde Länder zu gehen oder alte, vergangene Zeiten zu studieren, um zu sehen, dass Unrecht geschieht.
Im Vers 10 sagt der Prophet, dass die Bewohner Samarias das Recht mit Füßen treten. Mit dem „Recht“ sind die Gebote Gottes gemeint, die dieses Volk durch die Hand Moses in der Wüste empfangen hatte. Dieses Recht mit Füßen zu treten heißt, dass die Menschen das Gesetz Gottes verachten. Es bedeutet ihnen nichts, sie wollen es nicht kennen und interessieren sich auch nicht dafür.
Auf der einen Seite braucht man ja auch nicht für alles ein Gesetz. Manches funktioniert sicher auch ohne Gebote recht gut. Es muss nicht immer alles durch Paragraphen, Verordnungen und Bestimmungen geregelt werden. Wo ein guter Wille herrscht, wo Vertrauen besteht, wo Liebe regiert und Verantwortungsgefühl, da braucht man nur ein Minimum an Gesetzen. Die wenigen Ordnungen, die dann noch bestehen, werden als hilfreich empfunden und gewissenhaft beachtet. Da hat dann also das Recht Gewicht und Bedeutung. Es wäre ideal, wenn es überall so sein könnte; denn die Überwachung der Bestimmungen, die Strafverfolgung, die Gerichtstermine und die Betreuung der Gefangenen kostet auch viel Aufwand und Geld.
Aber leider geht es nicht ohne Gesetze. Je rebellischer und boshafter ein Volk ist, desto mehr Regeln muss es geben. Die Gesetze müssen erläutert und erklärt werden, damit es keine Lücken und Missverständnisse gibt, durch welche die Betrüger hindurchschlüpfen können. Es muss Gerichte, Gefängnisse und Strafen geben. Und selbst die beste Kontrolle und die härtesten Strafen können noch nicht Ordnung und Frieden im Land garantieren.
Also, das Gesetz und die Gebote muss es geben, daran habe ich keinen Zweifel. Aber wie weit sie ein friedliches, sicheres Leben und Nächstenliebe garantieren können, das hängt ein gutes Stück von den Bürgern eines Landes selbst ab. In Israel wurde das Recht mit Füßen getreten. Über die Folgen solch einer verachtenden Einstellung dem Gesetz gegenüber wollen wir noch ein wenig nachdenken. - Wenn Menschen das Recht nicht kennen wollen und es mit Füßen treten, dann geschehen viele Dinge, die den meisten von uns nicht gefallen werden.
1. - Dann gibt es Willkür und Gewalt im Land. Das kennen wir auch heute noch zur Genüge. Schon allein bei dem Stichwort „Terrorismus“ fallen uns viele schreckliche Begebenheiten ein. Wir denken an Anschläge in Zügen und Omnibussen, in Discotheken und auf Sportveranstaltungen. Die Bilder sind grausam: Tote, Verletzte, blutende und verstümmelte Menschen, zertrümmerte Gebäude und Verkehrsmittel. Von manchen werden die Mörder und Gewalttäter noch als Helden gefeiert. Sie selbst entziehen sich meist dem Gericht, dem Urteil und der Verantwortung durch Selbstmord. Ein nüchterner, normaler Mensch kann es doch nicht verstehen, wie Männer und auch Frauen solche abscheulichen Gewalttaten vollbringen können. Aber für die Mörder gibt es kein Gesetz. Sie handeln nach ihren eigenen Gefühlen: Hass, Bitterkeit, Rache und Wut.
Denken wir an die Berichte der letzten Zeit über Völkermord. Da waren die Serben, die wegen ihrer Rasse verfolgt und zu Tausenden hingemetzelt wurden. In Afrika wissen wir von mehreren Ländern, wo Gewalt und Krieg ganze Stämme ausrotten. Da sind Herrscher, die alle aus dem Weg räumen, die ihnen nicht zu jubeln., die kaltblütig und skrupellos ihre Position behaupten.
Wir denken an Länder wie Kolumbien, wo schon seit Jahrzehnten ein schmutziger Bürgerkrieg geführt wird. Unter dem Vorwand, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, erschießen organisierte Terroristen unschuldige, wehrlose Männer, Frauen und Kinder. Und niemand kann ihnen Einhalt gebieten. Ich glaube, es gibt keinen unparteiischen Beobachter, der da nicht nach einem Richter ruft und der sich wünscht, dass hier einmal mit Autorität Ordnung geschafft wird. Es soll wieder das Recht regieren, Gesetze und Ordnungen müssen respektiert und eingehalten werden.
2.- Wenn das Recht mit Füßen getreten wird, dann wird das Unrecht nicht mehr bestraft. Verbrecher, Betrüger, kaltblütige Mörder können sich dem Urteil und der Strafe entziehen. Sie brauchen nicht zu fürchten, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Jedenfalls nicht von menschlichen Gerichten. Sie haben nämlich Beziehungen, sie haben Macht, eine Position und vor allem Geld. Damit können sie jeden Ankläger zum Schweigen bringen. Da fallen mir manche Begebenheiten aus unserer Zeit in Südamerika ein.
Der Fall Restrepo hatten lange die Gemüter bewegt. Zwei Brüder im Alter von 14 und 15 Jahren waren plötzlich verschwunden. Niemand wollte wissen, wo sie geblieben waren. Schließlich wurde bekannt, dass sie irgendwo von der Polizei mitgenommen worden waren. Von da an fehlte jede Spur. Die Nachforschungen des verzweifelten Vaters endeten immer an einer Wand des Schweigens bei den Behörden. Schließlich wandte der Mann sich an die Presse und an die Öffentlichkeit. Es war ein jahrelanger, zäher Kampf bis er endlich herausfand, dass seine beiden Söhne im Polizeigewahrsam aus einem nichtigen Anlass zu Tode gefoltert worden waren. Betraft wurden hier unschuldige Jungen und eine ehrbare Familie. Straffrei blieben die grausamen Männer der Staatsgewalt. Es gibt genug Länder, wo es fast unmöglich ist, einen Verbrecher seiner gerechten Strafe zuzuführen.
3.- Wenn das Recht mit Füßen getreten wird, dann entsteht viel Leid. Ich las einmal ein Buch über die grausame Herrschaft des Idi Amin in Uganda in den 70er Jahren. Es heißt er habe bis zu 500.000 Menschenleben auf dem Gewissen. Unter seiner Schreckensherrschaft mussten Kinder mit ansehen, wie ihre Eltern verstümmelt und ermordet wurden. Nicht nur blieben diese Kinder jetzt als schutzlose Weisen zurück, um die sich niemand kümmerte.
Zusätzlich zu allem Leid mussten sie noch mit einem entsetzlichen Trauma fertig werden. Die Bilder vom Tod ihrer Eltern werden sie wohl ihr Leben lang verfolgt haben. Wo das Recht nicht mehr gilt, da werden anständige Leute ausgebeutet, betrogen, bestohlen und getötet. Ehrlichkeit, Vertrauen und Hoffnung verschwinden in solch einem Land und Angst und Resignation machen sich breit. Armen wird nicht geholfen, vielmehr werden sie als Freiwild behandelt. Ihr Leid interessiert niemand. Kranken, alten und schwachen Menschen wird ihr Recht auf Schutz, Betreuung und Leben verweigert. Die Menschenwürde wird nicht mehr respektiert. Wer als friedliebender, ehrlicher, fleißiger Bürger in solch einem Land leben will, wird zugrunde gehen.
Ich denke jeder vernünftige Mensch wird mit mir übereinstimmen, dass solch eine Situation nicht tragbar ist. Etwas muss geschehen. Jemand muss eingreifen. In solch einem Zusammenhang erscheinen einem die Worte der Propheten nicht mehr grausam wenn sie sagen: „Der Tag kommt, an dem ich die Leute von Israel für ihre Verbrechen bestrafen werde. Dann zerstöre ich die Altäre des Heiligtums in Bet-El. Ich lasse die prächtigen Häuser in Trümmer sinken, die Sommervillen und die Winterpaläste; die elfenbeingeschmückten und hoch aufgestockten Bauten werden dem Erdboden gleichgemacht. Das sage ich, der Herr“. (Verse 14-15) Wir stimmen mit den Propheten überein, wenn sie sagen: „Schuld muss festgestellt und dokumentiert werden. Verbrechen dürfen nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden. Das ist der erste Schritt. Darauf muss auch die Strafe als zweiter Schritt folgen.
Man mag über das Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg denken wie man will, aber es war nötig. Auch die Verhandlungen vor dem europäischen Gerichtshof in den Hag sind nötig um begangene Straftaten für die Nachwelt zu dokumentieren. Und es ist nur logisch, dass Schuld auch bestraft werden muss, egal wer die Verbrechen begangen hat. Diese Maßnahmen können helfen, dass das Recht wieder an Kraft und Bedeutung gewinnt. Das Gesetz wird wieder aufgerichtet, wie es im Neuen Testament heißt.
So können Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit wieder einkehren. Und darum ging es auch den Propheten. Sie wollten Schuld dokumentieren, Strafe ankündigen, das Recht und Gesetz stärken. Darüber hinaus verbanden sie die Drohungen und Warnungen mit der Belehrung über das unparteiische Rechtsverständnis Gottes. So gesehen können wir dankbar sein für die Dienste der Propheten. Oft wurde dadurch sicher größerer Schaden verhindert und Menschenleben bewahrt. –
Wir wollen ja heute keine drohenden Bußprediger mehr hören, aber vielleicht wäre es doch gut, wenn wir wieder mehr Menschen unter uns hätten, die das Recht aufrichten. Das geschieht nicht durch lamentieren und klagen sondern durch das Anprangern der Sünde, die Verurteilung der Schuldigen, ihrer Bestrafung und die Warnungen, Ermahnungen und Drohungen für die Zukunft.
Wir beten:
Herr, nicht nur die Propheten damals sahen, wie sich so viele Menschen über Deine Gebote hinwegsetzten. Auch heute geschieht es überall Dein Recht wird mit Füßen getreten. Zeige uns, wie wir diesem Trend begegnen und Deinen Geboten wieder mehr Beachtung verschaffen können Amen
Rüdiger Klaue