Donnerstag, 23. Februar 2017
Predigtreihe über Amos– Teil 2 (Amos 2, 1 – 3,2)
Der Prophet Amos im Alten Testament wird auch als der Anwalt für soziale Gerechtigkeit bezeichnet. Er hat nicht nur den Unterschied zwischen Arm und Reich gesehen, sondern auch die Veränderungen, die Reichtum im menschlichen Herzen bewirkt. Wir sagen immer wieder, dass reich zu sein an sich keine Sünde ist. Wenn wir den Propheten Amos lesen sehen wir, was Reichtum aber aus einem Menschen und einem Volk machen kann. So sollen uns die folgenden Verse aus Kap. 2 seines Buches als Warnung dienen. – Zunächst richtet sich der Prophet an die Nachbarvölker Israels und zählt ihre Verbrechen auf. Doch dann dreht er sich gewissermaßen um, und zeigt die Verfehlungen des eigenen Volkes.

Der Bibeltext:

(2,1) Hört, was der Herr sagt: »Die Leute von Moab haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Sie haben die Gebeine des Edomiterkönigs zu Asche verbrannt. Darum verschone ich sie nicht.

(2,2) Ich schicke Feuer in ihr Land, damit es die Prachtbauten von Kerijot verzehrt. Ihre Männer fallen in der tosenden Schlacht, unter dem Kriegsgeschrei und dem Lärm der Kriegshörner ihrer Feinde.

(2,3) Ihren Herrscher und alle führenden Männer bringe ich um. Das sage ich, der Herr.«

(2,4) Hört, was der Herr sagt: »Die Leute von Juda haben Verbrechen auf Verbrechen gehäuft. Sie haben mein Gesetz missachtet, meine Gebote übertreten und sich von falschen Göttern verführen lassen, genau wie ihre Vorfahren. Darum verschone ich sie nicht.1

(2,5) Ich schicke Feuer in das Land, damit es die Prachtbauten Jerusalems verzehrt.«

(2,6) Hört, was der Herr sagt: »Auch ihr Leute von Israel habt Verbrechen auf Verbrechen gehäuft! Darum verschone ich euch nicht. Ihr verkauft ehrliche Leute als Sklaven, nur weil sie ihre Schulden nicht bezahlen können, ja ihr verkauft einen Armen schon, wenn er euch eine Kleinigkeit wie ein Paar Sandalen schuldet.

(2,7) Ihr giert sogar nach der Asche auf dem Kopf der Verzweifelten und wendet jeden Trick an, um die Schwachen um ihr Recht zu bringen. Vater und Sohn missbrauchen dasselbe Mädchen. Mit all dem befleckt ihr meinen heiligen Namen.

(2,8) Neben jedem Altar streckt ihr euch auf Kleidern aus, die ihr den Armen als Pfand abgenommen habt; in euren Heiligtümern trinkt ihr Wein, den ihr als Ersatz für nicht bezahlte Schulden eingefordert habt.

(2,9) Dabei habe ich doch euretwegen die Amoriter vernichtet. Sie waren so groß wie Zedern und so stark wie Eichen, aber ich habe sie mit Stumpf und Stiel ausgerottet.

(2,10) Ich habe euch aus Ägypten befreit und euch vierzig Jahre lang durch die Wüste geführt, bis ihr das Land der Amoriter in Besitz nehmen konntet.

(2,11) Als meine Zeugen habe ich aus eurer Mitte Propheten berufen und Männer, die sich mir geweiht haben. So ist es doch, ihr Leute von Israel!«, sagt der Herr.

(2,12) »Aber meinen geweihten habt ihr Wein zu trinken gegeben und den Propheten habt ihr verboten, in meinem Namen zu sprechen.

(2,13) Ich werde euch bestrafen, dass ihr ächzt und stöhnt wie ein überladener Erntewagen.

(2,14-15) Auch der Schnellste kann dann nicht mehr entkommen, dem Stärksten nützt seine Kraft und dem Mutigsten sein Mut nichts. Die Bogenschützen werden überrannt, bevor sie einen Pfeil abschießen können, auch die Besatzung der Streitwagen kann sich nicht mehr retten. 16 Selbst der Tapferste der Tapferen wird an jenem Tag alles wegwerfen und um sein Leben laufen. Das sage ich, der Herr.«

(3,1) Hört her, ihr Leute von Israel! Ihr seid das Volk, das der Herr aus Ägypten herausgeführt hat. Er lässt euch sagen:

(3,2) »Von allen Völkern der Erde habe ich euch allein ausgewählt. Deshalb wiegt eure Schuld so schwer und ich muss euch dafür zur Rechenschaft ziehen.«

Ich möchte im Folgenden zeigen, worin die Soziale Ungerechtigkeit der Israeliten bestand und was für Folgen solch ein Verhalten haben kann.

Ich habe erwähnt, dass der Prophet Amos das unsoziale Verhalten seines Volkes verurteilt. Worin bestand aber dieses Verhalten? In Vers 6 heißt es: „ Ihr verkauft ehrliche Leute als Sklaven, nur weil sie ihre Schulden nicht bezahlen können, ja ihr verkauft einen Armen schon, wenn er euch eine Kleinigkeit wie ein Paar Sandalen schuldet.“ – Diese Anklage zeigt einmal, dass es Reiche und sehr arme Leute im Land gab. Die Armen waren verschuldet und konnten das Geld nicht zurückzahlen. Das nutzten die Reichen, um die Armen als Sklaven zu verkaufen und damit gewiss noch weiteren, guten Profit zu machen. Reiche Menschen haben armen gegenüber manche Vorteile. Sie können sich allen Luxus leisten und brauchen sich nicht Sorgen um ihr tägliches Brot zu machen. Durch ihr Geld haben sie auch mehr Macht und zahlreiche Möglichkeiten, andere zu unterdrücken und ihren Wohlstand zu vermehren.

Nun müssen wir aber auch zugeben, dass nicht alle armen Leute ein Opfer der Gier der Reichen sind. Oftmals sind die Menschen auch arm, weil sie mit ihrem Geld nicht richtig umgehen, weil sie vielleicht nicht sehr fleißig und nicht sparsam sind. Ihre Armut ist eine Folge von Misswirtschaft und fehlender Disziplin. –

Aber im Falle Israels handelte es sich nicht um solche Leute die ihr Geld nicht zusammen halten konnten oder die ihre Versprechen nicht einhielten. Amos sagt zu den Reichen: „Ihr verkauft ehrliche Leute...“ Es waren vielleicht Bauern, die in Schulden gerieten, weil sie eine schlechte Ernte hatten, oder weil ein Unglück sie getroffen hatte. Diese Armen waren keine Betrüger und Tagediebe. Es waren ehrliche und fleißige Leute, die hier von den Reichen unbarmherzig behandelt und gestraft wurden.

An dieser Stelle sollte ich auch sagen, dass nicht alle Reichen böse sind, nur weil sie Geld haben. Manch ein wohlhabender Unternehmer ist sicher auch barmherzig und hilfsbereit. Er hat Verständnis, erlässt Schulden und gibt dem Bedürftigen. Aber von dieser Sorte waren die Reichen in Israel nicht. Sie verkauften den Schuldner schon als Sklaven, wenn er nur so einen geringen Betrag wie für ein paar Sandalen nicht bezahlen konnte. Darüber hinaus waren sie gierig nach jeder Kleinigkeit. Selbst die Asche auf dem Haupt der Verzweifelten begehrten sie. So sagt es Amos.

Ich glaube, dass er damit zeigen will, wie geizig und habsüchtig die wohlhabenden im Volke waren. Auch schien es ihnen nicht genug zu sein, ihr Recht einzufordern. Sie waren nicht damit zufrieden, wenn sie bekamen, was ihnen zustand. Die Oberschicht der Israeliten wandte Tricks und Winkelzüge an, um von den Armen noch mehr zu bekommen, als ihnen zustand. Für einen Reichen ist es verhältnismäßig leicht, das Recht zu beugen. Er hat Macht und Mittel Ankläger und Richter auf seine Seite zu bringen.

Wenn die Reichen nur darauf bedacht gewesen wären, ihre Existenz zu bewahren, wäre es noch akzeptabel gewesen, die Schulden einzufordern. Aber Amos deutet an, dass es den Reichen hier um Luxus und noch mehr Luxus ging. Von dem, was sie als Pfand von den Armen genommen hatten, schafften sie sich Kleider im Überfluss an und tranken die edelsten Weine. Und das, ohne Mitleid und ohne Schuldgefühle.

Auch heute und auch in unserem Land kennen wir solche Menschen, die nicht genug bekommen können. Ihr Einkommen steht in keinem Verhältnis zu ihren Leistungen. Sie wissen nicht wohin mit dem vielen Geld, aber sie sind nicht bereit, zugunsten anderer zu verzichten. Dabei wächst auf der anderen Seite die Armut. Immer mehr Menschen werden immer ärmer. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Die soziale Ungerechtigkeit ist heute ein großes Problem in unserem Land und in der ganzen Welt.

Unter sozialer Ungerechtigkeit verstehe ich, dass arme Menschen übersehen werden, dass sie benachteiligt, ausgenutzt und unterdrückt werden. Die Benachteiligung kann einmal durch den Gesetzgeber bei der Steuer- und Sozialpolitik geschehen. Sie kann durch Unternehmer geschehen, die die Notlage der Armen ausnutzen, sie kann aber auch durch jeden normalen Bürger geschehen, der eine falsche Einstellung zum Geld hat, der Reiche bewundert und ihnen kaltblütig nachstrebt. Damit verachtet er die Armen, übersieht sie und setzt Akzente, die zu Ungerechtigkeit führen.

Soziale Ungerechtigkeit hat negative Folgen für die untere Schicht im Volk. Der Überlebenskampt wird schwerer, die Hoffnungen auf die Verbesserung des Lebensstandards schwinden dahin. Soziale Ungerechtigkeit hat – auf den ersten Blick – Nachteile für die Armen und Vorteile für die Reichen und Mächtigen. Aber es gibt noch andere Gesichtspunkte, die zeigen, dass soziale Ungerechtigkeit letztlich niemandem Vorteile bringt.

1.- Soziale Ungerechtigkeit treibt einen Keil in die Gesellschaft und schürt den Hass zwischen den Reichen und den Armen. Dadurch wird die Einigkeit im Volk gefährdet. Jede Spaltung einer Nation schwächt sie und macht sie verletzlich gegen Angriffe von außen. Reiche, wohlhabende, verwöhnte Menschen allein können sich auch nicht verteidigen, wenn raubende Feinde von außen eindringen. Da muss ein Volk als Ganzes zusammen stehen.

2.- Soziale Ungerechtigkeit ist ein Pulverfass, das eines Tages zur Explosion kommen kann. Unterdrückung und Ausbeutung kann zu Aufruhr und Protesten und sogar Bürgerkrieg führen. Dann zerstört sich ein Volk selbst von innen heraus. Unterdrückte können vielleicht viel aushalten und lange still bleiben, aber eines Tages, wenn sie nichts mehr zu verlieren haben, erheben sie sich gegen die Unterdrücker

3.- Die Basis für die Wirtschaft kann durch Ausbeutung und Ungerechtigkeit zerstört werden. Wenn die Armen gar nichts mehr besitzen und auch nichts mehr produzieren können, gibt es auch bald für die Reichen nichts mehr, was sie ausbeuten können. Arm und Reich brauchen einander. Frieden und Wohlstand im Volk kann es nur solange geben, wie soziale Gerechtigkeit herrscht. Eine wohlhabende Oberschicht tut sich auf die Dauer keinen Gefallen, wenn sie die Armen zu lange unterdrückt und ausbeutet. Die gesamte Gesellschaft wird in Mitleidenschaft gezogen, wenn eine gewisse Gruppe zu habgierig und egoistisch wird.

Außer diesen wirtschaftlichen Konsequenzen hat soziale Ungerechtigkeit aber vor allem noch moralische oder geistliche Aspekte. Der Prophet Amos sieht die Zustände im Volk aus Gottes Perspektive. Er erinnert die Verantwortlichen daran, dass sie gegen Gottes Willen und Gebot handeln und dafür mit Strafe rechnen müssen.

Folgende Sätze in den eingangs gelesenen Versen zeigen Gottes Urteil: Er sagt in Kap 2,7: „Mit all dem befleckt ihr meinen heiligen Namen.“ Das egoistische und hartherzige Verhalten der oberen Schicht in Israel schadet dem Namen Gottes. Wenn Menschen andere unterdrücken und ausnutzen, wenn sie korrupt sind, unmoralisch und ungerecht, dann wirft das auch ein schlechtes Licht auf ihren Gott und die gesamte Religion. Gott hatte ausdrücklich verboten zu stehlen, zu rauben und dem anderen Schaden zuzufügen. Schon das Begehren des Eigentums anderer war ein Vergehen. Wenn nun die Menschen genau das taten, was Gott verboten hatte, so zeigten sie damit ihre Geringschätzung gegen den Willen ihres Gottes.

Außenstehende hätten denken können, dass Gott solche Missstände duldet oder sogar noch befürwortet. Der Name Gottes wurde dadurch unter den Nachbarvölkern verlästert. Anstatt Ordnung und gute Moral im Volk Gottes zu sehen und nachzuahmen, bemerkten die Anhänger anderer Religionen, dass es hier Zustände gab, die sie nicht bei sich haben wollten. So wurde der Name Gottes unter den anderen Religionen der Gegend verachtet. Das konnte Gott nicht auf die Dauer hinnehmen.

Der Name Gottes wurde aber auch vor der armen Bevölkerung des eigenen Landes befleckt. Viele der unterdrückten Menschen in Israel konnten ihren Gott nicht mehr verstehen. Er erschien ihnen parteiisch, ungerecht oder zumindest gleichgültig ihrem Schicksal und ihrer Not gegenüber. Da haben sich wohl viele von Gott abgewandt und ihre Hilfe anderswo gesucht.

Soziale Ungerechtigkeit in dem Volk, das Gott erwählt hat, führt unweigerlich dazu, dass der Name des Herrn in Misskredit gerät. Das kann Gott nicht zulassen und deshalb sendet er seinen Propheten Amos. Der sagt im Namen Gottes im 3. Kapitel Vers 1: „Von allen Völkern der Erde habe ich euch allein ausgewählt. Deshalb wiegt eure Schuld so schwer und ich muss euch dafür zur Rechenschaft ziehen.“ –

Hier erinnert Gott die korrupte, geldgierige Oberschicht daran, dass Er ihnen bereits viel Gutes erwiesen habe. Ihre Position, den Frieden und Wohlstand haben sie eigentlich nicht sich selbst zu verdanken. Gott hatte sein Volk aus der Gefangenschaft und dem Sklavendasein befreit. Er hatte sie in ein vorbereitetes Land geführt. Er hatte auch ihre Feinde ausgeschaltet, wie es in Amos Vers 9 heißt: „Dabei habe ich doch euretwegen die Amoriter vernichtet.“ sagt Gott. Er hat ihnen also die Voraussetzungen für ihren Reichtum und ihre finanzielle Sicherheit geschaffen.

Anstatt nun Gott weiter zu vertrauen und sich dankbar zufrieden zu geben, sucht eine gewisse Schicht immer mehr Wohlstand und Macht. Das allein ist schon Unglaube und Unrecht. Habgier und Unterdrückung angesichts der Wohltaten Gottes, ist eine umso größere Schuld. Darum sagt Gott: „Ich werde euch bestrafen, dass ihr ächzt und stöhnt wie ein überladener Erntewagen.“ (Kap 2, 13)

Gott zeigt jetzt, dass es kein Entrinnen vor der Strafe gibt. Amos sagt in Kap 2 Vers 14: „Auch der Schnellste kann dann nicht mehr entkommen, dem Stärksten nützt seine Kraft und dem Mutigsten sein Mut nichts.“ Das bedeutet sicher einmal, dass eine Flucht vor dem Gericht unmöglich ist. Und auch der mutigste Kampf gegen die Feinde und der stärkste Soldat wird die Vernichtung nicht aufhalten können.

Aber vielleicht bedeutet diese Prophezeiung auch, dass die Reichen durch ihr Wohlleben geschwächt und verweichlicht sind. Sie haben ihre Schnelligkeit, ihren Mut und ihre Stärke verloren und sind feige und schwach geworden. Damit hat der Feind ein leichtes Spiel mit ihnen. Aber auch die zahlreiche arme Bevölkerung ist durch die Unterdrückung und Ausbeutung dermaßen geschwächt, dass sie keinem Gegner mehr standhalten kann. Die soziale Ungerechtigkeit ist den Reichen zum Fallstrick geworden. Sie bringt nicht nur Vorteile und Wohlleben für sie sondern auch negative Konsequenzen für das ganze Volk. Die Sünde trägt die Strafe in sich selbst. Aber auch Gott wird die Ungerechtigkeit bestrafen und dem Wohlstand und Reichtum ein Ende machen.

Reichtum und Macht waren nicht nur eine Versuchung für die Zeitgenossen des Amos in Israel. Es sind Gefahren für einen jeden von uns. Wenn wir auch nicht im großen Stil unterdrücken und ärmere Leute ausbeuten, so ist doch oft die Liebe zum Geld ein Motiv das uns von Gott entfernt.

Wir beten:
Herr, zeige uns, wo wir soziale Ungerechtigkeit dulden oder selbst praktizieren. Gib dass unsere Liebe zu Geld und Macht uns nicht hart werden lässt gegen unsere Mitmenschen und dass uns Egoismus und Undankbar nicht von Dir und Deiner Liebe trennen mögen. Amen.

Rüdiger Klaue

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